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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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lenkte ein Fuhrwerk, aber Eumas und ich ritten, wir beide und Silvus in voller Rüstung – die ich wie Blei gewichte an mir fühlte.
    Mein Reittier war ein kräftiger Wallach, ein Passgänger, der sich in allen Gangarten weich und fließend bewegte, dank der Göttin. Mit dem Banner der de Castros, das über meinem Kopf flatterte, und meinem grünen Überrock, der mein eigenes Wappen zur Schau stellte, sahen wir höchst eindrucksvoll aus. Ziemlich albern, aber dennoch ein drucksvoll.
    Allerdings machte ich mir Sorgen um Eumas, mehr noch als um Hubert. Dieser war in körperlich schlechter Verfassung, während Eumas’ Wunde fast vollständig ver heilt war. Aber er war in einer qualvollen seelischen Verfassung.
    Schon auf dem Weg über das Moor war er verschlossen gewesen und hatte über das Notwendigste hinaus kaum gesprochen. Seit wir Ruane verloren hatten, war er vollends in sich gekehrt. Ich hatte ihn in seiner Kammer aufgesucht und ihn dort vor der Schießscharte angetroffen, wo er mit ausdrucksloser Miene hinaus zu den Bergen spähte. Ich hatte versucht, ihn in ein Gespräch zu ziehen, und auch er hatte sich bemüht, glaube ich, aber ohne großen Erfolg.
    Seine Rüstung passte ihm jetzt weniger gut. Er war ge altert. Graue Strähnen fielen in seinem Bart auf – wie alt war er, dreißig? Und in seinen eingesunkenen Augen sah ich einen Anflug von Resignation, der mir nicht geheuer war. Ich spürte, dass er nicht mehr nach Hause zurück kehren wollte.
    Mit dem Soldatentum ist es so eine Sache. Von denen, die darin überdauern, sind einige dafür geboren und ge deihen darin in verschiedener Weise – wie Hubert, der die frische Luft und die körperliche Übung liebte und gern in der Welt herumkam, oder Barras in Tenabra, der seiner Natur nach einfach ein roher Schläger war. Manche ge wöhnen sich daran, bringen es zu militärischer Tüchtig keit und finden sogar Gefallen daran – wie ich. Einige tun es, weil sie es als eine Pflicht auffassen – wie Silvus. Und wieder andere, tapfer und treu, begreifen nie die beiläu fige empirische Tödlichkeit des Soldatenberufes. Sie den ken, dass es einen höheren Zweck und einen Sinn darin geben müsse. So einer war Eumas.
    Aber beides ist selten offensichtlich. Wir geben unserem Handeln von Fall zu Fall einen Sinn. Ich wünschte, ich könnte ihm das erklären und ihm das Dasein damit er leichtern. Ich versuchte es. Aber es gelang mir nicht.
    Wir ließen die Sperrfeste hinter uns. Es erinnerte mich an unseren Auszug aus Tenabra, obgleich es wichtige Un terschiede gab. Vor allem gab es keine jubelnde Bevölkerung, die begeistert ihre Mützen in die Luft warf. Weil die Burg zu wichtig und zu nützlich war, um sie vollständig aufzugeben, waren ein gutes Dutzend Ordensschwestern und ebenso viele Bedienstete zurück geblieben, aber das war alles. Sie verfolgten unsere Abreise von den Zinnen, und ihre Mienen wirkten ernst und angespannt. Es gab keine munteren Zurufe. Wenn das Dunkel käme, würde ihnen kaum eine Wahl bleiben. Entweder Flucht in die winterlichen, lebensfeindlichen Berge oder Tod in den Sklavenpferchen – in dem Wissen, dass ihre Körper ihnen nicht gehörten. Kein Wunder, dass sie still und mit ver steinerten Gesichtern im Sprühregen standen und unsere Abreise beobachteten.
    Langsam ging es die Kehren über den vom Regen schlüpfrigen Hang hinab und das Tal öffnete sich vor uns. Eine Meile blieb zurück; eine weitere; und hinter einer Wegbiegung fanden wir uns plötzlich zwischen bestell ten Feldern und Viehweiden. Galeriewald begleitete den Fluss, und die zurückweichenden Hänge trugen einen dichten dunklen Mantel aus Bergfichten. Die Fuhrwerke waren leicht für ihre Gespanne, der Weg führte talab, und wir kamen gut voran. Bald zeigten sich die ersten Obstgärten, jetzt winterlich kahl, und kündeten von der Nähe menschlicher Siedlungen.
    Wir ritten durch ein Dorf, das mehr ein Marktflecken war und um eine Brücke herum entstanden war, wo die Straße den Fluss nahe der Einmündung eines kleineren Gewässers überquerte. Einwohner kamen an die Türen ihrer einfachen, soliden Häuser, um uns vorbeiziehen zu sehen. Sie trugen warmes Wollzeug und widerstandsfähiges Barchent, das Gleiche wie die Leute, die draußen auf den Feldern arbeiteten. Brokat oder Samt waren nicht zu sehen, aber es ging auch niemand in Lumpen. Wenige Krüppel. Keine Bettler.
    Wenn sie erfreut waren, uns zu sehen, gaben sie es nicht zu erkennen. Kein Applaus, keine Verbeugungen, keine ge

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