Dunkler Zauber
letzten Stunde schlich sich Cam also aus dem Schulgebäude und nahm den Bus, der sie in einer halben Stunde nach Waverly bringen sollte. Sie ging allein, denn für Alex sah ihr gemeinsamer Plan eine andere, ebenso wichtige Beschäftigung vor.
Den Zettel mit der Adresse, die Cam sich abgeschrieben hatte, in der Hand, fand Cam nach einigem Suchen endlich ein kleines Reihenhaus aus Ziegelsteinen. Sie war nervös und hatte ein flaues Gefühl im Magen, als sie die Stufen zur Haustür hinaufging und klingelte.
»Wenn du irgendwas verkaufen willst, dann kannst du gleich wieder gehen.« Die Frau vor ihr war so groß und dick, dass sie beinah den Türrahmen ausfüllte.
»Wo... wohnt hier Lizzie Andrews?«, stammelte Cam.
»Und wer bist du, wenn ich fragen darf?«
»Ah ... eine Freundin ...?«, versuchte sich Cam. »Ich meine, aus der Schule.« Sie lächelte hoffnungsvoll. »Ich wollte ihr ein Buch vorbeibringen.«
Die Frau musterte Cam von oben bis unten, beschloss dann offenbar, dass sie keine Bedrohung darstellte und rief Lizzie zur Tür. »Fünf Minuten«, sagte sie und ließ die Mädchen allein.
Cam erschien das Mädchen noch blasser, zappeliger und hoffnungsloser, als sie sie von ihrer Begegnung im Einkaufszentrum in Erinnerung hatte. Doch bevor Lizzie Gelegenheit fand, die Tür zuzuknallen, versicherte Cam ihr: »Ich tu dir nichts. Ich will dir helfen.«
Lizzie schien sich einen kurzen Moment lang zu beruhigen. »Was tust du hier? Was willst du?«, flüsterte sie nervös. »Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?« Cam spähte an dem Mädchen vorbei in das unbeleuchtete Zimmer hinter ihr.
Über ihre Schulter rief Lizzie der Frau zu: »Rose? Ich setze mich kurz draußen hin. Ich komme sofort wieder rein.« Die Antwort lautete: »Lass die Tür auf, damit ich dich sehen kann.«
»Ist das deine Pflege-Mom?«, fragte Cam, als sie sich nebeneinander auf die Stufen setzten.
Das Mädchen verhärtete sich. »Nein. Sie ist mein vom Gericht bestimmter Wachhund - Moment mal, woher weißt du überhaupt, dass ich bei einer Pflegemutter bin ? Wer bist du eigentlich?«
Cam holte tief Luft. »Tut mir Leid. Noch mal von vorn: Ich bin Camryn Barnes.«
»Barnes? Soll das heißen, dass du ... verwandt bist mit...« Cam zuckte mit den Schultern. »Die Welt ist klein, wie? Ich bin seine Tochter.«
Lizzie wurde blass. »Dann hast du ihm bestimmt ... erzählt, was im Einkaufszentrum passiert ist.«
»Nein, das hab ich nicht«, sagte Cam und bemerkte, wie Lizzie sich entspannte. »Das stand mir nicht zu - aber die Lage hat sich verändert. Es ist wirklich wichtig, dass du mir die ganze Geschichte erzählst.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht.«
»Vielleicht, wenn du weißt, warum ...« Und Cam erzählte ihr, dass Ms Webb seit neuestem ihre Vertretungslehrerin war. Und dass Beth der verschlagenen Frau vertraute und bei Helfende Hände mitmachte. Dass Beths Notendurchschnitt in den Keller abrutschte, dass sie sich mit einem Typ eingelassen hatte, der nichts Gutes im Schilde führte. Cam sprach von ihrer Angst, dass man Beth vielleicht ebenso zu einem Diebstahl überreden würde, wie man es mit Lizzie getan hatte. Lizzies Frage überraschte Cam vollkommen: »Deine Freundin Beth ... Wohnt die auch bei einer Pflegefamilie?«
»Nein! Sie wohnt bei ihren normalen Eltern, Vater-Mutter-Kind und alles. Warum fragst du?«
»Schon gut.« Lizzie erhob sich langsam. »Wofür brauchst du mich, wenn du die Webb ja schon festnageln kannst?« Weil ich niemandem erzählen kann, was ich weiß, dachte Cam. Weil sonst alle herausfinden würden, dass ich eine Hexe bin. Die seltsame Fähigkeiten hat... so wie diese: Gemeinsam mit Alex hatte sie sich am Abend zuvor einen Zauberspruch ausgedacht. Den Cam nur anwenden wollte, wenn es unbedingt notwendig war. Bevor Lizzie sich abwenden konnte, richtete Cam ihre magnetischen Augen auf das verängstigte Mädchen neben ihr und sang leise:
»Du trägst an einer Last, zu schwer für deine Schultern zart
Mit Scham und Heimlichtuerei allein zu sein, ist hart
Drum löse dich, oh Lizzie, aus deinen festen Ketten
Vertraue mir und sprich dich aus
denn nur Vertrauen kann dich retten«
Als sie die letzte Zeile vollendet hatte, biss Cam sich auf die Unterlippe und hoffte ... hoffte ...
Ein Schleier legte sich über Lizzies Augen. Und sie erzählte alles.
Viele Stunden später, als sie neben Cam in Daves Büro saß, wiederholte Lizzie ihre Geschichte. Das Mädchen gab zu, dass Mitglieder von
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