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Dunkler Zauber

Dunkler Zauber

Titel: Dunkler Zauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. B. Gilmour , Randi Reisfeld
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den Zwillingen beibringen, sich richtige Zaubersprüche auszudenken. Und dennoch fühlte sie sich irgendwie selbstsicherer. Stärker.
    Sie verließ den Park in östliche Richtung, ging zum Wasser hinunter und setzte sich auf die Kaimauer am Hafen. Eine Gruppe von Touristen kam auf ihrem Weg zu den historischen Sehenswürdigkeiten an ihr vorbei und bestaunte die jahrhundertealten Häusergruppen ringsum. Ileana hörte dem Vortrag des Reiseleiters nicht absichtlich zu: »Während der berüchtigten Hexenprozesse im Jahre 1692 wurden auf Grund von Anschuldigungen einiger Kinder und Frauen insgesamt neunzehn Menschen gehenkt. Auf unserem Programm steht nun eine Nachstellung der damaligen Ereignisse: Die unschuldigen Opfer erwachen wieder zum Leben und flehen ihre tauben Richter um Gnade an - vergeblich, denn die Justiz konnte sich nicht vom allgemeinen Wahn der Zeit lösen.«
    Ileana hatte keinerlei Interesse an diesem lehrreichen Schauspiel. Zugegeben, von ihrer eigenen Vorgeschichte wusste sie nicht viel - sie hatte als Kleinkind ihre Eltern verloren und war bei Karsh aufgewachsen -, doch über diese Stadt wusste sie genug.
    Karsh hatte ihr oft davon erzählt. Von der finsteren Zeit, in der jeder verfolgt wurde, von dem man auch nur annahm, dass er irgendwie anders sei. Seine eigene Großmutter ... Eine sehr kluge und schöne Frau, viel zu schlau für die damalige Zeit. Heutzutage wäre sie sicher eine bedeutende Ärztin, hatte Karsh Ileana erzählt, aber damals ...! Sie wurde hingerichtet, weil sie anderen half. Ileana hörte seine raue Stimme in ihrem Kopf. Moment mal! Das war wirklich seine raue Stimme! Ileana zuckte zusammen. Sie betrachtete den Häuserblock zu ihrer
    Linken. Sie fühlte nichts. Sie ließ ihren funkelnden Blick in die entgegengesetzte Richtung wandern und schließlich blieb er an einem alten, kleinen Giebelhaus hängen, an dem höchstens die Wandfarbe neu war.
     
    Sie flog durch das Fenster ins Zimmer. Zunächst schwebte sie über dem Kopf des schlafenden Fredo. Sie zwitscherte fröhlich, als er aus seinem Stuhl aufsprang und hektisch versuchte, den Vogelmist aus seinen Haaren zu entfernen - ein kleines Mitbringsel, das sich Ileana nicht hatte verkneifen können. Thantos begriff sofort, was geschehen war. Der hexende Schurke spottete: »Eine Taube? Nichts als eine gewöhnliche Taube? Meine liebe Ileana, ich hatte Euch wirklich für einfallsreicher gehalten. Wenn Ihr Euch schon in einen Vogel verwandelt, um durch unser kleines Fenster fliegen zu können, weshalb dann nicht in einen mächtigen Adler? Oder zumindest...«
    »In eine Krähe?«, ergänzte sie sarkastisch.
    »Ganz genau«, überlegte Thantos. »Andererseits ... egal, mir genügt es zu wissen, dass ich den Vogel abschießen werde.« Sie hielt genau auf Thantos zu, flog vor sein Gesicht und flatterte wie wild mit den Flügeln. Als er sie mit seinen muskulösen Armen packen wollte, wich sie geschickt aus. Schließlich landete Ileana vor Karsh und sagte: »Es ist vorbei. Ich bin ja jetzt da.«
    Der Klang ihrer menschlichen Stimme verwirrte Fredo. Erst als die kurzen Taubenbeine in die Länge wuchsen, sich die Flügel zusammenfalteten und zu Armen wurden, sich das Federkleid der Taube in Haut verwandelte und der kleine Vogelkopf mit einem Mal Ileanas erlesene Gesichtszüge trug, verstand er. Und bekam einen solchen Wutanfall, dass Thantos ihn aus dem Raum verbannte.
    Ileana hatte damit gerechnet, Karsh in schlechter Verfassung anzutreffen, doch sie konnte einen Laut des Entsetzens nicht unterdrücken. Wie sehr hatte diese Entführung ihn mitgenommen ! Seine Haut war aschgrau, er war bis zum Skelett abgemagert und die Furchen in seinem verwitterten Gesicht waren jetzt noch tiefer.
    Doch seine Augen lebten.
    »Was glaubtet Ihr denn, in dieser Gestalt ausrichten zu können?«, höhnte Thantos. »Hattet Ihr vielleicht vor, ihn mit Taubenmist zu befreien? Oder dachtet Ihr, dass es reicht, wenn Ihr ein paarmal kräftig mit den Flügeln schlagt?« Ileana schenkte Thantos keine Beachtung. »Lord Karsh.« Sie verbeugte sich vor ihrem Lehrmeister. »Vergebt mir. Es war meine Schuld ...«
    Mit einer Stimme, die kaum lauter war als ein Flüstern, versuchte Karsh sie zu beruhigen: »Schuldgefühle bringen uns nicht weiter, mein Kind. Lernt aus Euren Fehlern und verzeiht Euch selbst.«
    »Gewiss ein guter Rat, Ileana. Ihr solltet Euch keine Vorwürfe machen, weil mein Bruder Euch kürzlich entkommen ist. Und somit Lord Karsh entführen konnte. Was wiederum

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