Dunkler Zauber
kitten.
Sie würde Beth einen Einkaufsbummel vorschlagen, sie beide ganz allein. Vielleicht würde Beth ihr, wenn sie wieder mehr Zeit zu zweit verbrachten, irgendwann alles erzählen. Und dann würde Cam auch wirklich zuhören. Sie drehte sich auf die andere Seite und vergrub ihr Gesicht in dem kühlen, weichen Kissen. Vielleicht konnte sie ja einschlafen, wenn sie sich anstrengte.
Auf der anderen Seite des Nachttisches, der ihre Betten voneinander trennte, lag Alex, mit dem Rücken zu Cam gewandt, auch sie hellwach. Sie merkte, wie die Gedanken durch den Kopf ihrer Zwillingsschwester rasten, aber sie weigerte sich zuzuhören. Wie oft hatte Cam diese weinerliche Leier schon durchlitten? Sie und Beth waren also auf der Straße der lebenslangen Freundschaft in ein Schlagloch geraten - na und? Im Endeffekt machte das keinen Unterschied. Ab morgen würde schon wieder alles ins Lot kommen ... Cam war wie immer optimistisch.
Doch Alex bremste ihren Spott. Cam - oder Apolla - war das Sonnenschein-Mädchen, benannt nach dem Gott der Sonne. Hatte sie, Alex, also das Recht, ihr diese Lebenseinstellung, ihren Glauben daran, dass alles und jedes sich lösen ließ, zu missgönnen ? Wahrscheinlich war Cam einfach so. Und sie selbst neigte eher zum Grübeln? Dazu, die dunkle Seite der Welt zu erkennen ? Oder war das ihre Wirklichkeit ? Gestern Abend hatte Alex in Daves Büro ihre Akte gefunden. Darin war der Brief eines Anwalts gewesen, der Ike Fielding vertrat. Und der jetzt den Antrag der Barnes auf das Sorgerecht für Alex anfocht.
Auch andere Dokumente waren in der Akte. Beweise dafür, dass er mit Sara Fielding verheiratet gewesen war, und obwohl man keine Adoptionsunterlagen gefunden hatte, machte ihn diese Tatsache zu Alex' Vater. Die Briefe beschrieben »wirtschaftliche Überlegungen«, die ihn dazu gezwungen hatten, sich von Sara zu trennen. Doch nun hatte er sich gefangen und war bereit, seine Verantwortung für das Kind zu übernehmen - vor allem, da seine geliebte Sara nunmehr von ihnen gegangen war. Geliebt! Alex musste sich beinah übergeben. Er hatte seine Pflichten sträflich vernachlässigt und damit Sara und Alex direkt auf den Weg in die Armut gebracht. Ike Fielding war ein übler Typ, ein Kriecher, ein Kerl ohne Rückgrat.
David Barnes war ein rechtschaffener Mann, ein Verfechter der Gerechtigkeit. Falls es irgendwo auf dieser Welt Gerechtigkeit gab, dann würde er sich durchsetzen. Und es gab einen Hoffnungsschimmer. Bislang - zugegeben, es handelte sich nur um einige Tage - hatte Ike nicht auf die Briefe und Anrufe aus Daves Büro reagiert, die ihn zur Anhörung vor Gericht bestellten.
Timing war jetzt alles: Wenn Ike - hoffentlich - wieder verschwand, würde er zum ersten Mal in seinem Leben das Richtige tun.
Alex hörte, wie Cam leise atmete. Ihre Zwillingsschwester war endlich eingeschlafen. Und wenn sie, Alex, etwas Glück hatte, würde sie sich bald ein Beispiel an ihr nehmen.
Folge mir, Artemis, man braucht dich.
Das leise Flüstern eines Mannes.
Karsh ... bist du es? Einen Moment lang wusste Alex nicht, wo sie war.
Nur du kannst sie retten, Artemis. Nur du allein.
Alex bemühte sich nach Leibeskräften aufzuwachen. Sie blinzelte. Niemand war im Zimmer, nur die schlafende Cam. Die offensichtlich nicht dasselbe hörte wie sie. Dir bleibt nicht viel Zeit. Erhebe dich!
Karsh? Die Stimme war nicht die seine, sie klang schrill und weinerlich, nicht kratzig und beruhigend. Aber wer hätte es sonst sein können?
Es musste Karsh sein! Ileana hatte ihn befreit und jetzt sprach er zu ihr, rief nach ihr. Aber wieso ? Alex war inzwischen hellwach. Sie stützte sich auf ihre Ellenbogen, ihr Herz klopfte wie wild und sie sah hinaus in die Mondnacht und lauschte angestrengt.
Die Nacht gehört dir, nur dir, Artemis.
Wenn du deine Freundin retten willst, dann komm ... allein.
Lass Apolla schlafen.
Welche Freundin? Beth? Oder Ileana? Das war nicht anzunehmen.
Also Beth!
Warum ich ?, fragte sie telepathisch.
Weil, erwiderte die Stimme, du ein Geschöpf der Nacht bist, Artemis.
Kapitel 20 - DER RAVE
Verstohlen. Das Wort kam Alex in den Sinn, als sie lautlos -um ihre Schwester nicht zu wecken - und beunruhigt in ihre schwarze lederne Hose und ein schwarzes Hemd schlüpfte. Jemand war soeben verstohlen in ihre Gedanken eingedrungen. Es gab ein Problem, und nur sie, das Geschöpf des Mondes, konnte es lösen. Unwillkürlich griff sie nach ihrem Amulett und erinnerte sich dann, dass sie
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