Dunkler Zauber
es nicht mehr hatte. Die Stimme, Karsh, hatte behauptet, dass man sie erwarten würde. In einem schwarzen Auto, das hinter der Ecke geparkt war.
Alex' Puls raste. Irgendetwas war nicht in Ordnung. Wieso hatte sich Karsh so ... künstlich angehört? Hatte Cam irgendwas mitbekommen? Sie warf einen Blick auf ihre Zwillingsschwester, die friedlich schlief.
Man erwartete sie, genau wie die Stimme es gesagt hatte, in einem Auto, das so groß und schwarz war, dass es Alex an einen Leichenwagen erinnerte. Sie schüttelte die in ihr aufsteigende Furcht ab, öffnete die Tür und ließ sich langsam in den Wagen gleiten, im vollen Bewusstsein darüber, dass sie allein war. Ohne ihre Schwester, ohne ihr Amulett - war sie denn verrückt, dass sie sich so mitten in der Nacht hinausschlich ?
Nein. Wenn Karsh sie gerufen hatte, dann gab es sicherlich einen guten Grund dafür. Falls es Karsh war, der sie zu sich gebeten hatte, war sie in Sicherheit.
Nur dass der Mann, der am Steuer saß, nicht Karsh war.
Alex erstarrte.
»Verriegel die Tür«, riet er. Seine Stimme klang unheilvoll und er richtete seinen stechenden Blick auf die Straße. »Wir wollen doch nicht riskieren, dass du uns verloren gehst, bevor wir überhaupt am Ziel sind.«
Fredo. Das war Fredo. Der Eidechsen-Mann, wie Cam ihn nannte. Onkel Fredo, der Idiot, hatte Ileana gesagt. Fredo hatte sie reingelegt.
Sie betrachtete sein Profil. Er hatte eine lange, dünne Nase und gewölbte Wangen. Aus seinem spitzen Kinn wuchsen ein paar Büschel von Barthaaren. Die schütteren Haare voller Gel konnten seinen kahlen Schädel nicht verbergen. Ihr Onkel. Was für ein Jammerlappen, von einem mächtigen Hexer ganz zu schweigen. Oh Mann! Ihr ehemaliger Vermieter, Hardy Beeson, hatte ihr mehr Angst eingejagt als dieses Wiesel! Alex fürchtete sich nicht mehr. Wenn das alles war, was sie aufbringen konnten - damit würde sie schon fertig. »Sie haben mich also reingelegt. Eins zu null für Sie. Und was gibt's Neues ?«
»Ganz einfach, liebe ... Nichte. Es ist an der Zeit.«
»Jetzt mal ohne Hexer-Fachsprache. Wofür ist es an der Zeit?«
Er verzog das Gesicht. Offenbar war sie nicht so eingeschüchtert, wie er es sich erhofft hatte. »Schon bald wirst du alles erfahren, was du wissen musst. Und jetzt halt die Klappe. Ich bring dich zu ihr.« Er versuchte, ein teuflisches Lachen hervorzubringen, um sie einzuschüchtern. Doch er brachte nur ein Grunzen zu Stande.
»Schon bald« entpuppte sich als halbe Stunde. Zwei Tatsachen arbeiteten gegen Alex. Sie konnte nicht wie Cam im Dunkeln sehen und sie kannte die Straßen und finsteren Gassen dieser Stadt nicht. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wohin sie fuhren. Schlimmer noch, Fredo tat so, als wäre das alles irgendein Film, und hängte die ganze Zeit unsichtbare Verfolger ab. Ständig machte er 180-Grad-Kurven und bog ohne ersichtlichen Grund ab. Die Straßen von Marble Bay waren um diese Zeit wie leer gefegt.
Schließlich hielten sie vor einem Lagerhaus in einer menschenleeren Seitenstraße.
Alex fiel auf, dass dort mehrere Autos und auch einige Fahrräder abgestellt waren. Und der Parkplatz im Hinterhof stand voller Wagen. Ein normaler Mensch mit normalen Sinnen hätte es kaum bemerkt, doch Alex hörte Musik, einen lauten, pulsierenden und gleichförmig-rhythmischen Takt aus dem Inneren des Gebäudes.
Als sie in den Keller hinabstieg, glaubte Alex einen Moment lang zu ersticken. Der Raum erschien Alex wie ein Albtraum: dunkel, verraucht, und mit so vielen schweißüberströmten Menschen gefüllt, dass jeder Feuerwehrmann einen Herzinfarkt erlitten hätte. Grelle Scheinwerfer warfen neonfarbene Blitze in die nahezu vollkommene Dunkelheit, ihr schneidender Rhythmus erinnerte an die Signallampen eines Krankenwagens.
Was sollte sie hier? Das war eine Falle. Wieso sollte Beth sich hier in diesem Inferno aufhalten? Alex drehte sich um.
Doch Fredo war im dichten Gewühl direkt hinter ihr und versperrte ihr den Weg zurück. »Wo ist sie?«, schrie Alex gegen den Lärm an. Er grinste hämisch und schüttelte den Kopf: »Nicht in diesem Ton, liebe Nichte ...«
»Spar dir die liebe Nichte, du Monster. Wo ist Beth ? Ist sie am Ende gar nicht hier?«
»Oh doch, sie ist hier. Das kannst du mir glauben. Wenn du wirklich so schlau bist, dann find sie doch einfach!« Alex musste beinah lachen. Was sollte das denn sein? Die Hexer-Version von Ätschbätsch, ich weiß was, was du nicht weißt...
Sie sah sich alles genau an. Es
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