Dunkles Begehren
auskommen. Doch ich
würde dir gern verraten, wo ich mich im Augenblick aufhalte. Ich beuge mich
über das Kind, das du als dein eigenes angenommen hast. Die Kleine ist ungewöhnlich,
eine Seltenheit in dieser Welt voller Oberflächlichkeit. Es war eine
leise Drohung, eine subtile Herausforderung.
Francesca schrie
auf und ließ Brice los. Sie hatte ihn ganz vergessen. Jetzt konnte sie nur noch
an Skyler denken, die hilflos in ihrem Bett lag, während sich ein Vampir über
sie beugte. Hastig gab sie Brice den Befehl, aus seinem Traum zu erwachen,
während sie sich gleichzeitig in Nebel auflöste und auf das Krankenhaus
zuströmte.
Ich verbiete es, Francesca. Seine Stimme klang
leise, doch unerbittlich. Es ist eine Falle.
Er wird sie nicht
bekommen. Innerlich schluchzte Francesca auf. Gabriel hatte
sich bereits auf den Weg zum Krankenhaus gemacht, das wusste sie.
Es tut mir leid,
Liebste. Ich kann dich dieser Gefahr nicht aussetzen. Gabriels Stimme
flüsterte in ihren Gedanken wie die Berührung von Schmetterlingsflügeln.
Ohne Vorwarnung
wechselte Francesca plötzlich die Richtung. Erschrocken rief sie nach Gabriel.
Sie schien keine Kontrolle mehr über ihren Kurs zu haben. Instinktiv versuchte
sie, zu Boden zu sinken und ihre Gestalt zu wechseln, doch es war unmöglich. Gabriel!
Fürchte dich nicht, Francesca,
ich erfülle nur meine Pflicht. Du wirst zu Hause auf mich warten, wo du in
Sicherheit bist.
Das leise,
provozierende Lachen hallte wieder durch ihre Gedanken wie warmes Sonnenlicht.
Die Macht in Lucians Stimme war unglaublich. Und welche Schutzzauber
möchtest du dazu verwenden, mich fernzuhalten? Hast du so viel gelernt, das du
nicht mit deinem Zwillingsbruder geteilt hast?
Du solltest dich
nicht für unbesiegbar halten, Lucian. Ich habe ein Mal die Oberhand gewonnen.
Es kann wieder geschehen, antwortete Gabriel gelassen. Die Ruhe, die er
ausstrahlte, tröstete Francesca, sodass sie ihre Angst verdrängen konnte.
Gabriels Stärke verblüffte sie. Es schien ihm keine Mühe zu bereiten, sie in
der Luft auf dem gewünschten Kurs zu halten und sie zu beschützen, während er gleichzeitig
zum Krankenhaus eilte und eine zivilisierte Unterhaltung mit seinem Todfeind
führte. Seine Ruhe war nicht einmal Fassade. Gabriel vertraute auf seine
Fälligkeiten. Er war ein alter Krieger, und der Kampf, der ihm nun bevorstand,
stellte den Höhepunkt seiner jahrhundertelangen Erfahrung dar. Sofort hörte
Francesca auf, sich gegen ihn zu wehren, um ihm seine Aufgabe nicht noch zu
erschweren.
Allerdings musste
sie sich mit aller Mühe davon zurückhalten, den Vampir anzuflehen, Skyler
weitere Qualen zu ersparen. Vampire genossen den Schmerz der anderen. Durch
ihre Opfer waren sie für wenige Augenblicke in der Lage, einen Eindruck der
Gefühle zu gewinnen, die sie verloren hatten. Die Empfindungen waren finster
und hässlich, doch immerhin Empfindungen.
Francesca
konzentrierte sich. Skyler? Kannst du mich hören? Das Mädchen
schlief. Öffne nicht deine Augen. Du schwebst in Gefahr.
Skyler wachte auf.
Francesca war inzwischen so vertraut mit der telepathischen Verbindung zu ihr,
dass sie spürte, wie das Kind im Geist die Umgebung absuchte, wie es
normalerweise nur Karpatianer vermochten.
Skyler blieb ganz
ruhig, nicht einmal ihr Herzschlag beschleunigte sich. Das kann nicht
sein. Er ist bei mir, und ich fühle mich völlig sicher.
Hat er dein Blut genommen?
Skyler schwieg,
während sie über diese verblüffende Frage nachdachte. Er ist kein Laborant, das
weiß ich genau. Warum fürchtest du, er könnte mein Blut wollen P
Francesca dachte
nach. Skyler hatte ihr gehorcht, sich völlig still verhalten und vorgegeben, noch
zu schlafen. Doch trotz der Anwesenheit des Bösen in ihrem Zimmer fühlte sie
sich sicher. Dabei hatte Skyler ein sehr ausgeprägtes Gespür für Gefahren.
Offenbar wollte Lucian ihr nichts antun. Es war die einzig mögliche Erklärung.
Er benutzte sie nur als Köder, um Gabriel zu sich zu locken.
Sie wusste, dass
ihr Gefährte ihre Gedanken lesen konnte, doch sie hätte daran denken sollen,
dass auch Lucian so davon erfuhr.
Wieder ertönte die
wunderschöne Symphonie seines leisen Lachens. Siehst du jetzt ein, dass es
sinnlos ist, sich gegen mich zu wehren? Dieses sterbliche Kind, das zweifellos
über einzigartige Qualitäten verfügt, kann mich nicht täuschen. Und du kannst
es nicht vor mir beschützen, weder mit deinem Bannzauber noch in einem
Versteck. Was Gabriel weiß, weiß auch ich.
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