Dunkles Begehren
während du diese Frau angreifst, die er
für sich beansprucht. Sie steht unter seinem Schutz, und ich kann es nicht
zulassen, dass sich ein anderer in unser kleines Spiel einmischt. Das verstehst
du doch?« Die Stimme war so perfekt und klang so vernünftig, dass sie keinerlei
Widerspruch duldete. »Vor vielen Jahrhunderten hast du deine Seele verloren,
Untoter, und nun sehnst du dich nach der Freiheit des Todes. Geh jetzt. Dein
Atem wird dich verlassen, dein Herz wird aufhören zu schlagen.« Lucian hob die
Hand und begann langsam, die Finger zu einer Faust zu schließen.
Mit schockierter
Faszination beobachtete Francesca, wie der Untote dem Befehl in dieser
melodischen, tödlichen Stimme folgte. Er schnappte nach Luft. Als sich die
Faust fester schloss, wurde er bleich und begann, vor ihren Augen zu ersticken.
Der
Vampir griff sich
an die Brust, als sein Herz aussetzte, doch er versuchte nicht, sich dem Befehl
zu widersetzen. Francesca konnte den Blick nicht von dem Zwillingsbruder ihres
Gefährten wenden. Auch sie war gefangen in seinem Bann, in der Schönheit
seiner Stimme.
Lucian stieß seine
Hand tief in die Brusthöhle des Vampirs und zog das Herz heraus, während ein
Blitz zur Erde zuckte, um das Herz und die Leiche des Vampirs zu verbrennen.
Erst jetzt gelang es Francesca, sich aus dem Bann zu befreien, sodass sie sich
ihrer gefährlichen Lage bewusst wurde.
Francesca wartete
schweigend, eine Hand auf ihren Bauch gepresst, um ihre ungeborene Tochter zu
beschützen, die andere um Brice' Arm gelegt, der sich noch immer in ihrem Bann
befand und nicht verstand, was um ihn herum vorging.
Lucian war
unendlich mächtiger, so viel tödlicher als der Vampir, dem sie soeben
gegenübergestanden hatte. Sie musterte ihn mit ihren dunklen Augen, während
ihre zusammengepressten Lippen ihre Nervosität verrieten. Lucian bewegte sich
in einer Symphonie aus Anmut und zeitloser Schönheit, ein zweischneidiges
Schwert, zerstörerischer als alles andere auf der Welt. Gabriels
Entschlossenheit, dieses Ungeheuer zur Strecke zu bringen, war gerechtfertigt.
Die Sterblichen konnten nicht einmal darauf hoffen, ihn aufzuhalten, falls er
beschließen sollte, das Katz-und-Maus-Spiel mit seinem Bruder aufzugeben und
sich anderen Dingen zuzuwenden.
Mit größter
Anstrengung schluckte Francesca die Furcht hinunter, die ihr die Luft
abzuschnüren schien, und hob stolz das Kinn. »Ich schulde dir Dank dafür, dass
du mir zu Hilfe gekommen bist.«
»Ich habe meinem
Bruder geholfen«, korrigierte er Francesca leise, während er mit geschmeidigen
Schritten um sie herumging. Er schien den Boden nicht einmal zu berühren, son-
dem durch die Luft zu gleiten. Seine Schritte waren lautlos. Mit seinen leeren
schwarzen Augen musterte Lucian Francesca, und sein Blick schien bis tief in
ihre Seele vorzudringen. »Mein Bruder ist der Einzige, der mir ein wenig Abwechslung
verschaffen kann. Das Leben ist langweilig, wenn man so viel intelligenter ist
als alle anderen.«
»Warum hast du ihm
geholfen?«, fragte Francesca leise. Es verwirrte sie, dass Lucian nicht so
abstoßend wirkte wie alle anderen Vampire, denen sie im Laufe der Jahrhunderte
begegnet war. War es möglich, dass seine Illusionen so perfekt waren, dass
nicht einmal eine erfahrene Karpatianerin wie sie ihn durchschauen konnte?
Seine schier grenzenlose Macht beunruhigte sie sehr.
Gleichmütig zuckte
Lucian die breiten Schultern. »Ich kann es nicht zulassen, dass sich andere in
unser Spiel einmischen. Nun bist du der Mühlstein um seinen Hals. Ich könnte
dich gegen ihn veiwenden, wenn ich es wollte. Doch es ist allein eine
Angelegenheit zwischen meinem Bruder und mir. Wer es wagt, sich in diese Sache
einzumischen, Jäger, Vampir oder Gefährtin, wird durch meine Hand sterben.«
Francesca neigte
den Kopf. »Was wirst du jetzt mit mir anstellen?«
Ein humorloses
Lächeln zuckte um Lucians Mundwinkel. »Rufe ihn zu Hilfe. Du willst doch nicht,
dass ich dich zu meiner Sklavin mache. Rufe ihn.« Seine Stimme klang freundlich
und klar, geradezu verführerisch. Er schien sich nicht zu bewegen, stand jedoch
so dicht neben Francesca, dass sie seinen Geruch wahrnehmen konnte. Lucian roch
frisch und rein, nicht im Mindesten Ekel erregend wie die anderen Vampire. Sie
spürte seine Macht.
Francesca schluckte
schwer und trat dann einen Schritt zurück. Sie schüttelte den Kopf, um sich zu
vergewissem, dass sie noch bei klarem Verstand war. »Niemals. Es gibt nichts,
das mich dazu bringen
Weitere Kostenlose Bücher