Dunkles Begehren
Wenn ich Skyler zu meiner Sklavin
machen will, werde ich es tun. Allerdings wäre sie mir im Augenblick nur
lästig.
Lucian. Gabriel sprach den
Namen seines Bruders beinahe zärtlich aus. Du bist deiner Existenz müde
geworden. Es gibt nichts, was dich noch in dieser Welt festhält. Du hast dich dafür
entschieden, deine Seele zu verlieren und dem Pfad der Finsternis zu folgen,
doch du hast nichts dabei gewonnen, keine Empfindungen, keine Macht, die du
nicht auch schon vorher besessen hättest. Ich will dir dabei helfen, diesem
Wahnsinn den Rücken zu kehren. Du möchtest, dass ich dir dabei helfe. Es ist
schon sehr lange dein Wunsch gewesen.
Du hast mir dein Ehrenwort
gegeben, Bruder, und nun musst du dein Versprechen halten. Doch diese Welt hat
sich sehr verändert, seit ich sie zuletzt sah. Du hast Recht, mein Leben wäre
sehr eintönig, wenn ich niemanden hätte, mit dessen Verstand ich mich messen
könnte, aber du bist mir geblieben. Willst du dein Leben etwa beenden? Lucian lachte leise. Ich glaube, wir sollten unser
Spiel noch eine Weile fortsetzen, um diese fremde, erstaunliche Welt zu
erkunden. Er verschwand.
Durch ihre
Verbindung zu Gabriel spürte Francesca es deutlich. Er hatte Gabriel zum
Krankenhaus gelockt, um mit ihm zu kämpfen, dann jedoch offenbar das Interesse
daran verloren. Er verschwand aus Skylers Zimmer und hinterließ nicht die
geringste Spur.
Frustriert seufzte
Gabriel auf. Lucian wusste von den beiden Frauen. Wie sollte es auch anders
sein? Es war nicht schwer, die Aura der eindeutig weiblichen Macht zu spüren.
Schon jetzt wurden die Untoten in die Stadt gelockt, um nach ihrer einzigen
Rettung zu suchen. Selbstverständlich waren diese Dinge Lucian nicht entgangen,
er wusste von Skylers und Francescas Existenz. Und er wusste auch, dass
Francesca eine Karpatiane- rin und Gabriels Gefährtin war. Vermutlich war ihm
sogar ihre Schwangerschaft nicht verborgen geblieben. Skyler musste unbedingt
das Krankenhaus verlassen, denn dort stand sie nicht unter Gabriels Schutz.
Gabriel nahm wieder
seine menschliche Gestalt an, als er auf dem Krankenhausparkplatz landete, und
eilte auf den Eingang zu. Er machte sich jedoch unsichtbar, da er den
Sterblichen aus dem Weg gehen wollte, während er sich vergewisserte, dass
Lucian Skyler nichts angetan hatte. Sie mussten das Mädchen so bald wie möglich
nach Hause holen. Lucian konnte seine sterblichen Sklaven dazu benutzen, Skyler
tagsüber etwas zu Leide zu tun, wenn Gabriel nicht in der Lage war, sie zu beschützen.
Francescas Haus dagegen war durch Bannzauber gesichert. Außerdem würde er dafür
sorgen, dass Skyler einen sterblichen Leibwächter bekam, dem man sie
anvertrauen konnte, während er, Gabriel, in der Erde schlief. In all den Jahrhunderten
ihres Kampfes war es noch nie geschehen, dass Lucian einen Diener benutzt
hatte, um seinen Bruder tagsüber zu töten, doch er durfte mit Skyler keinerlei
Risiken eingehen. Außerdem gab es noch andere Untote in der Stadt. Diese Vampire
waren weit weniger mächtig als Lucian, aber hinterhältig und brutal. Jeder von
ihnen könnte versuchen, Skyler in seine Gewalt zu bringen. Das durfte er nicht
zulassen. Skyler würde keine weitere Misshandlung ertragen.
Als er ihr Zimmer
betrat, lag die Kleine ruhig da und betrachtete die Decke. Gabriels Schatten
erreichte sie zuerst. Ein weniger aufmerksamer Betrachter hätte nie bemerkt,
dass Skylers Körper bebte.
»Fürchtest du dich
vor mir?«, fragte Gabriel leise. Er erwies Skyler die Höflichkeit, sich von
ihren Gedanken fernzuhalten. Erst später würde er sich vergewissern, dass
Lucian kein Blut von ihr genommen hatte, doch er war fest entschlossen, dabei
Skylers Privatsphäre zu respektieren.
Das Mädchen
klammerte sich an die Bettdecke. »Nein, nicht wirklich.« Die Umrisse des
Stoffwolfes zeichneten sich unter der Bettdecke ab. Skylers Stimme klang
aufrichtig, war jedoch kaum hörbar.
»Weißt du, warum
ich hier bin?«
Sie wandte sich
Gabriel zu und blickte ihn mit ihren großen grauen Augen an, die von dichten,
dunklen Wimpern umrahmt waren. Sie sah wunderschön aus. Skyler schluckte und
legte unwillkürlich ihre Hand auf die Narbe, die über ihre Wange lief.
Sanft umfasste
Gabriel ihr Handgelenk, um sie daran zu hindern. Dann drehte er zärtlich ihre
Hand um und strich mit dem Daumen über das Netz aus feinen Linien, das sich
über ihre
Unterarme und
Handflächen zog. »Wir sind eine Familie, mein Kind, eine wirkliche Familie.
Niemand braucht
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