Dunkles Begehren
dir
beigebracht hat. Innerlich ist er schon vor langer Zeit gestorben; er war nur
noch ein Ungeheuer aus Drogen und Alkohol.«
»Aber er ist nicht
das einzige Ungeheuer auf der Welt.«
»Nein, Kleines, das
stimmt. Die Welt ist voll davon, in allen möglichen Variationen. Doch wir
können versuchen, sie aufzuhalten und unschuldige Opfer vor ihnen zu retten.
Gabriel hat sein Leben dieser Aufgabe gewidmet. Auf meine Weise helfe ich ihm
dabei. Gib uns eine Chance, dich zu lieben und so für dich zu sorgen, wie du es
verdient hast.«
»Ich habe Angst«,
bekannte Skyler. »Ich weiß nicht, ob ich je wieder gesund werde. Ich kann den
Anblick von Männern nicht ertragen. Alles jagt mir Angst ein.«
»Tief in deinem
Herzen weißt du, dass du nicht allen Männern die Schuld an den Gräueltaten
deines Vaters geben darfst. Die meisten Männer sind gerecht und liebevoll.«
»Aber ich habe
immer noch Angst, Francesca. Ich weiß, du sagst die Wahrheit, doch das Risiko
will ich nicht eingehen.«
Sanft schüttelte
Francesca den Kopf. »Du hast dich zurückgezogen, um nicht so wie diese Männer
zu werden. Du wolltest wie deine Mutter sein und das Gute in den Menschen
sehen. Das habe ich sofort an dir erkannt.«
Skylers Lider
flatterten, doch sie hielt die Augen tapfer geöffnet. »Ich habe ihm den Tod
gewünscht.«
»Natürlich. Mir
ging es genauso. Das bedeutet nicht, dass wir Ungeheuer sind, Kleines, nur sind
wir eben keine Engel. Komm zu uns. Ich möchte dich bei mir haben. Ich habe
deine Gedanken gelesen und kenne dich so gut, wie deine Mutter dich kannte.
Vielleicht besser. Es wäre ein Segen für mich, mein Leben mit dir teilen zu
können. Falls du das nicht möchtest, werde ich das Geld für deine Erziehung
und Ausbildung aufbringen. Es ist allein deine Entscheidung. Ich werde dich
nicht im Stich lassen.«
Skyler umklammerte
Francescas Hand. »Du weißt, was du von mir verlangst. Das spüre ich genau. Ich
muss in die Welt hinausgehen und mit anderen Menschen zusammen sein. Doch ich
bin nicht wie sie. Ich werde mich niemals einfügen können.«
»Dafür passt du
hervorragend zu mir«, beharrte Francesca. »Zu Gabriel und mir. Wir schätzen
Talente wie die deinen und könnten dir dabei helfen, sie weiterzuentwickeln. Es
gibt Möglichkeiten, wie man diese Wahrnehmungen abschwächen oder verstärken
kann, je nachdem, wie es erforderlich sein sollte. Und du wirst viel Zeit
haben, um wieder gesund zu werden, ehe du der Welt entgegentreten musst.
Versuche, dich aufzurichten, Skyler. Du bist stark genug dazu.«
»Ich weiß nicht, ob
ich meine Fähigkeiten wirklich weiterentwickeln möchte. Wenn ich Menschen
berühre, erfahre ich Dinge über sie, die mich nichts angehen. Manchmal sehe ich
schreckliche Dinge, doch niemand glaubt mir, wenn ich davon erzähle.« In
Skylers Stimme lag keinerlei Selbstmitleid. Das Mädchen stellte einfach eine
Tatsache fest. Zögernd ließ es Francescas Hand los und setzte sich im Bett auf.
»Ich habe dir
einige Sachen mitgebracht, etwas Unterwäsche, einige T-Shirts und einen
Bademantel.« Francesca hielt den Wolf in die Höhe. »Und ihn. Gabriel meint, du
könntest vielleicht einen Freund gebrauchen.«
Skylers Augen
weiteten sich, als sie das Stofftier betrachtete. »Für mich? Wirklich?« Sie
nahm den Wolf in die Arme und zog ihn fest an sich. Sofort spürte sie, dass sie
sich ein wenig beruhigte. »Außer meiner Mutter hat mir noch niemals jemand
etwas geschenkt. Danke, Francesca, und bitte richte auch Gabriel meinen Dank
aus«, sagte Skyler mit erstickter Stimme. Sie schmiegte ihr Gesicht an das Fell
des Wolfes und blickte ihm fasziniert in die blauen Augen. Sie war aus einem
langen Albtraum aufgewacht, und nun erschien ihr auch die Wirklichkeit wie ein
Traum. Doch Skyler gab sich alle Mühe, in der Welt zu bleiben, sich nicht
wieder in sich zurückzuziehen.
Francesca
betrachtete das junge Mädchen. Skyler war so dünn, dass sich jeder einzelne
Knochen genau abzeichnete. Sie war sehr zerbrechlich, und Francesca machte sich
große Sorgen um sie. Sie umgab die Kleine mit Kissen und zog die Bettdecke
fester um sie. Auf Skylers Gesicht waren noch immer einige Blutergüsse zu
sehen, doch nach der ersten Sitzung mit Francesca ging es ihr bereits bemerkenswert
gut. Ihre Augen waren wunderschön, von einem sanften Grau. Es waren die Augen
eines Kindes, das schon zu viele schreckliche Dinge erlebt hatte.
»Also, wie schlimm
sehe ich aus?«, fragte Skyler gleichgültig. Ihre Stimme klang
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