Dunkles Blut: Thriller (German Edition)
sie fügte seufzend hinzu: » Seine Zelle durchsuchen – ist Knastslang, wissen Sie.«
» Hat er ein Handy?«
Sie kaute auf der Innenseite ihrer Wange herum. » Wahrscheinlich. Ich schätze mal, dass er es immer dicht am Körper tragen wird, also … vielleicht diese Plastiktüte, die er überallhin mitschleppt wie eine verdammte Schmusedecke?«
» Das Problem ist, wir können da eigentlich nichts machen, selbst wenn es so wäre. Über ein Handy steht nichts in seiner Verbotsverfügung.«
» Nein, aber es steht drin, dass er nicht mit anderen registrierten Sexualstraftätern in Kontakt treten darf. Und wenn er ein Handy hat, können wir nicht kontrollieren, ob es so ist oder nicht.«
Sie sahen Knox eine Weile beim Beten zu.
Mandy nickte. » Wäre doch zu dumm, wenn er gegen seine Auflagen verstoßen würde und noch mal für ein paar Jahre in den Knast müsste, nicht wahr?«
» Wirklich zu dumm.«
» Könnte ja weiß Gott was planen …«
Das Grinsen fiel Logan aus dem Gesicht. Nach dem, was Danby über Mad Mikey Maitland erzählt hatte, war das vielleicht doch keine so tolle Nachricht. » Entschuldigen Sie mich einen Moment«, sagte er und marschierte auf das Grab zu, vor dem Knox kniete.
Der Blödmann musste halb erfroren sein; Schultern und Rücken waren von einer pappigen Eiskruste überzogen, seine Haare klatschnass; mit der einen Hand hielt er diese Plastiktüte an die Brust gedrückt, die andere lag auf dem mit Flechten überzogenen Grabstein. » HIER RUHEN DIE STERBLICHEN ÜBERRESTE VON JOSEPH ALBERT MURRAY , LIEBEVOLLER GATTE UND GÜTIGER GROSSVATER , SOWIE SEINER TREU ERGEBENEN GATTIN EUPHEMIA ABERCROMBIE - MURRAY .«
» Richard, ich muss sehen, was Sie da in der Tüte haben.«
Knox blickte auf. Seine Nase tropfte, seine Lippen waren blasslila verfärbt, die Augen blutunterlaufen. » Das ist privat.«
» Ich muss sicherstellen, dass Sie nicht gegen Ihre Verbotsverfügungen verstoßen.«
Knox schloss die Augen und knetete die Tüte unablässig in den Händen. » Ich will nicht, dass sie nass wird.«
Logan streckte die Hand aus. » Her damit, Richard.«
Knox biss sich auf die Lippe. Drückte seine Tüte fester an sich. » Versprechen Sie mir, dass Sie gut drauf aufpassen werden?«
» Geben Sie mir einfach die verdammte Tüte.«
Der kleine Mann tat, wie ihm befohlen.
Logan zog die Tragegriffe auseinander und spähte in die schmuddelige, zerknitterte Plastiktüte. Darin lag ein Buch – eine zerfledderte Bibel mit abgestoßenem und ausgefranstem blauem Leineneinband.
» Hat Oma Murray gehört. Die hat sie mir in ihrem Testament vermacht. Damals hab ich gedacht, sie will mich verarschen.« Knox lächelte schief und ließ jede Menge spitze, schiefe Zähne sehen. » Aber in meiner Zelle hatte ich ja reichlich Gelegenheit, drin zu lesen, nicht wahr?«
Logan griff in die Tüte und schlug das Buch auf, um es durchzublättern. Manche Seiten waren zerrissen und mit uraltem bernsteinfarbenem Klebefilm repariert, andere ganz verschmiert; einzelne Passagen waren mit verblasstem gelben Marker hervorgehoben oder mit Kugelschreiber unterstrichen, die Ränder mit winzigen Anmerkungen vollgekritzelt.
Logan klappte die Bibel wieder zu. Blöde Idee – wieso sollte Knox ein unerlaubtes Handy mit sich herumschleppen? Aber jetzt war es zu spät für einen Rückzieher. » Ich muss Sie bitten, Ihre Taschen zu leeren.«
» Am Grab meiner Oma?« Der kleine Mann ließ den Kopf hängen, dann stand er auf und streckte die Arme aus. » Na los, nur zu.«
Logan machte es kurz, griff nur einmal in alle Taschen und klopfte Knox’ Arme, Beine und Rumpf ab. Dann gab er ihm die Tüte zurück.
» Tut mir leid. Ich dachte, Sie hätten ein Telefon …«
Knox zuckte mit den Achseln und drückte seine in Plastik gehüllte Bibel wieder an die Brust. » Sie machen ja auch nur Ihren Job, nicht?«
» Ja, nun … Sagen Sie uns Bescheid, wenn Sie wieder nach Hause wollen.«
Die Kälte tut gut, nicht wahr? Ist wie damals, als er noch ein kleiner Junge war, in den Ferien, wenn er auf dem Wohnzimmerboden gehockt und Oma Murray zugehört hat, wie sie von damals erzählte. Opa Joe schläft im anderen Sessel, die aufgeschlagene Press and Journal auf der Brust, und schnarcht leise vor sich hin, sein offener Mund wie eine gähnende rosa Höhle.
Die Zähne haben sie ihm alle weggenommen, als er seinen Wehrdienst auf Zypern geleistet hat. Ist mit vollen Haaren und allen Zähnen im Mund hin und kam als Glatzkopf mit künstlichen Beißern
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