Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
sie überhaupt nichts und das weckte sie zumindest halbwegs aus ihrer doch eher dümmlichen Faszination und machte sie misstrauisch.
«Jarout!», begrüßte ihn die Blonde.
Das war also sein Name ... ein merkwürdiger Name. Französisch?
«Schön, dich mal wieder hier zu haben. Was treibt dich her? Doch nicht etwa die liebe Familie, oder?» In vertraulicher Geste legte sie ihm eine Hand auf die Schulter und ließ sie dort ruhen, während sie weiter sprach. «Wenn du etwas loswerden möchtest, können wir uns später sehen.»
«Vielleicht.» Seine Antwort klang weder abweisend, noch zustimmend, was ihre Hand von seiner Schulter vertrieb.
«Wie geht es deinem Vater? Er war ewig nicht mehr hier.»
«Es geht ihm gut, danke.»
Jetzt bekam seine Stimme einen gereizten Unterton. Gleichzeitig warf er einen raschen Seitenblick auf Karen, um die Vorsicht der Blonden zu alarmieren.
«Bring uns etwas zu trinken! Wir reden später», meinte er.
«Gut!» Damit drehte sie sich um und stolzierte davon. Sie schien wütend zu sein, und Karen beschlich das unbestimmte Gefühl, dass es allein ihre Anwesenheit war, die diese Wut provozierte.
Karen sah ihr nach, wie sie an die Theke ging, wo sie mit dem Barkeeper einige Worte wechselte, worauf der zu ihrem Tisch herübersah und nickte. Leider konnte sie nichts weiter erkennen. Die Sicht wurde von einem der Stützpfeiler verdeckt.
«Wie gefällt es dir hier? Ich komme schon seit Jahren her. Warum weiß ich auch nicht. Die meisten Leute hier sind scheußlich.»
Im gedämpften Halbdunkel sah sie ihn lächeln. Das Kinn auf die Hände gestützt, taxierte er sie mit neugierigen Augen. Er irritierte sie. Sie war immer noch wie verzaubert. Sie ängstigte sich, war neugierig und verliebt. Er war wunderschön.
Er war dunkel und gefährlich. Auch wenn er nicht das sein sollte, was sie sah, reichte sein bloßer menschlicher Körper aus, um ihn schlicht unwiderstehlich sein zu lassen. Und er hatte ihr geholfen und sie eingeladen, sie auserwählt ... Karen! Also, jetzt reicht's! rief sie sich zur Vernunft. Das fehlte gerade noch, dass sie anfing, sich wie eine dieser albernen Hühner zu benehmen.
«Na ja, nicht gerade herzlich. Neue Mitglieder im noblen Privatclub nicht erwünscht.»
Jarout warf lachend den Kopf zurück. Herrlich, sie hatte ihn tatsächlich zum Lachen gebracht.
«Ich weiß, was du meinst.»
Hatte sie vorhin durch seine Augen wirklich gesehen, was sie glaubte? Sie war überrascht, wie schnell und gründlich seine Abwehr gekommen war. Ganz so, als habe er schon Jahre Erfahrung sich vor derartigen Zugriffen in seine Gedanken und Emotionen zu schützen. Oder war es eine Art Instinkt?
Sie tat nur kurz einen Schritt in ihn, bevor er sich verschloss. Aber das reichte vollkommen aus, um ihr zu verraten, dass sie gefunden hatte, wonach sie in den letzten Wochen so verzweifelt suchte.
Gedanken zu Bildern und Emotionen geformt zeigten ihr wer und was er war – eine Kreatur! Unglaublich! Erschreckend! Noch vor wenigen Minuten hatte er gierig getötet. Ein Mädchen, schwarzes Haar. In schnappschussartigen Bildern konnte sie diese noch frische Erinnerung wahrnehmen. Sie konnte immer noch fühlen, wie großartig das Töten für ihn gewesen war. Karen musste ein Würgen unterdrücken, denn einen Moment lang glaubte sie sogar, den salzigen Eisengeschmack von Blut zu schmecken.
Ihre Mutter hatte beschrieben, wie Lucas tötete, aber nun erlebte sie es selbst. Einen flüchtigen Moment lang war sie versucht, aufzuspringen und davonzulaufen. Nach Hause, zu Peter, in Sicherheit. Doch dann wäre alles um sonst gewesen. Nein, jetzt wo sie endlich einen von ihnen gefunden hatte, konnte sie ihn nicht wieder gehen lassen.
Doch irrte sie sich auch nicht? War er wirklich eines dieser Ungeheuer aus den vielen Märchen. Rumänische Fledermaus in schwarzem Umhang? All dieser Blödsinn, wie im Sarg in kalter Gruft und Muttererde schlafen? Oder war er wie Lucas, der diesem abergläubischen Klischee laut ihrer Mutter auf gar keinen Fall entsprach. Normalerweise war sie nicht so leichtsinnig. Sich in die Welt eines anderen zu begeben, ohne die Regeln zu kennen, war immer gefährlich.
Während sie auf ihre Bestellung warteten, gewöhnten sich ihre Augen allmählich an das Zwielicht. Jetzt konnte sie erkennen, dass ihr Tisch neben dem Durchgang zu einem höhlenartigen Saal mit Tanzfläche stand. Karen beugte sich zur Seite, um mehr zu sehen. Gefärbtes Licht schwamm in bunten Wellen über wogende
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