Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
Lucas zu flüstern und glaub ja nicht, dass ich dir den Blödsinn abkaufe. Es ist einfach ungeheuerlich, dass ausgerechnet du mich jetzt so offen anschwindelst.«
»Oh nein, versuch es erst gar nicht. Ich werde nichts verraten.«
Hervorragend. Jetzt wusste sie wenigstens, dass ihr Instinkt sie nicht täuschte. Sicher meinte er wohl kaum eine Geburtstagsüberraschung, über die er nichts verraten wollte.
»Dann brütet ihr also tatsächlich was aus. Etwas, das ...«
Die Tür zum Garten flog auf. Mit verzerrtem Gesicht, das seine Aufregung verriet, kam Jarout hereingestürzt.
»Calman, verzeih, wenn ich dich unterbreche.«
Karen fiel auf, dass seine sonst so feste und kalte Stimme rau klang und seine Hände zitterten, als er damit über die kurz geschorenen, schwarzen Haare strich. Vor Aufregung glühten seine bernsteinfarbenen Augen hellgelb im Licht der Tischlampen. Karen war egal, was Jarout so aus dem Häuschen brachte. Wie konnte er wagen, Calman und sie zu stören? Falls sie jemals das Verlangen verspürte, ihren Bruder umzubringen, dann in diesem Augenblick.
Calman sah fragend zu ihm auf. Er lächelte sanft, als wolle er Nachsicht mit der ungestümen Jugend des Störenfrieds demonstrieren.
»Wir erhielten gerade einen Anruf von Colin«, stammelte Jarout.
»Ja?« Calman schien ungeduldig zu werden. Karen wollte sich schon freuen, dass Jarout nicht bei allen auf Geduld stieß, als dieser weitersprach.
»Eine der Angestellten hat einen Toten bei den Containern gefunden«, sagte er leise. »Calman, es ist Malcolm. Jemand hat ihn getötet. Und Serena ist verschwunden. Sie ... ich weiß auch nicht ... Colin hat überall nach ihr gesucht und rumtelefoniert, um rauszubekommen, wo sie steckt. Aber niemand weiß, wo sie ist. Sie war mit Malcolm zusammen. Er ist tot.«
Die Worte waren heraus. Kalt und real, gesprochen von Jarouts brechender Stimme, schienen sie noch einen quälenden Moment lang in der feuchten Luft des Wintergartens zu schweben.
So unwirklich, dass Karen im ersten Moment glaubte, sich verhört zu haben. Doch Jarout stand dort vor ihnen - ein Häufchen Elend, jetzt da die Nachricht, deren verheerende Bedeutung er selber noch nicht ganz begriffen zu haben schien, überbracht war.
Calman sah ihn schweigend an. Das leichte Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. Mit einer Hand tastete er suchend nach Karen, die sofort aufstand und ihn in ihre Arme schloss.
Die Kälte seines uralten Leibes war überwältigend. Sie fror augenblicklich, während er glaubte, den heißen Atem eines Feuers dort zu spüren, wo ihre Haut die seine berührte. Doch keiner ließ den anderen los. Jarout wartete geduldig, bis Calman bereit war, ihm ins Haus zu folgen.
~ 2. Kapitel ~
In dem man nach London aufbricht
und sich um höhere Ziele sorgt
Sie waren im Salon versammelt. Alle, außer Beryl und Eliane, die gleich nach dem Abendessen verschwunden waren und bestimmt erst kurz vor Sonnenaufgang zurück kommen würden. Doch die anderen waren da und einer wirkte verlorener als der andere.
Am schlimmsten schien Arweths Verfassung. Malcolm und Serena waren seine »Kinder«. Er hatte sie zu Hirudo gemacht. Und nun war der eine tot und die andere verschwunden. Als Calman mit Karen und Jarout den Salon betrat, eilte er sofort zu seinem Bruder Arweth und schlang wie ein hilfloses Kind seine Arme um den reaktionsunfähigen Älteren.
Himmel, sind wir denn so ein armseliger Haufen?, dachte Lucas grimmig und ließ seinen Blick von einem zum anderen wandern. Er stand noch immer neben dem Telefon und versuchte zu begreifen, was tatsächlich geschehen war. Viel konnte er von Colin, dem Barmann des «porch», während des Telefonats nicht in Erfahrung bringen. Die wenigen Worte jedoch erschütterten die mächtige, die unantastbare, die unsterbliche Welt der Hirudo. Einer von ihnen war getötet worden. Diese Nachricht ließ sie alle für einen viel zu langen Moment in Hilflosigkeit erstarren.
Colin berichtete, dass Malcolm und Serena gemeinsam den Club verlassen hatten. Ein Mann, dem Aussehen nach zu urteilen ein Obdachloser, begleitete die beiden. Und seit ihrem Verschwinden kam kein Lebenszeichen von Serena. Malcolms grauenvoll zugerichtete Leiche fand einer der Angestellten vor gut einer halben Stunde bei den Abfallcontainern im Innenhof des Gebäudes. Sein Mörder musste ihn dort hingebracht haben. Der noch warme Körper war in einen Teppich gewickelt. Sein abgeschlagener Kopf lag auf dem Deckel einer Abfalltonne.
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