Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
ihre gebräunten Schultern. Ein schützender Mantel, der sich um ihn legte, wenn sie sich zu einem Kuss hinabbeugte.
Oh ja, Althea war wunderbar. Nie fragte sie, warum sie sich nur in den Nächten sehen konnten. Nicht einmal wunderte sie sich über die Kälte seines Leibes, wenn er sich zwischen ihre Schenkel senkte. Gott, Calman, du musst damit aufhören, sonst passiert noch ein Unglück, schalt er sich in Gedanken. Denk nicht an sie! Hör auf, sie dir vorzustellen, jetzt gleich!
Sie war so warm und voller Leben und völlig vernarrt in ihn. Er sah sie in aller Deutlichkeit vor sich. In dem warmen gelben Glanz der antiken Lampe auf ihrem Nachtschrank schimmerte ihre Haut wie Gold. Die darunter pulsierenden Adern leuchteten wie silberne Ströme im bleichen Mondlicht, das durch die hohen französischen Fenster ins Zimmer fiel. Althea! Genussvoll ließ Calman die Silben ihres Namens stumm seine Kehle emporsteigen. Althea. Ein Klang wie der durchdringende Duft ihrer warmen Haut. Ihre weiche Stimme, die dunklen Augen. Sie war wie Samt und Weihrauch, sinnlich, weich, intensiv. Althea, Althea ...
»Calman.«
Erschrocken öffnete er die Augen und richtete sich auf.
»Karen, da bist du ja.«
Karen setzte sich lächelnd in den Sessel ihm gegenüber. Augenblicklich witterte er ihren Duft. Der Geruch ihres Blutes fokussierte kompromisslos seine Aufmerksamkeit.
»Du hast Glück, dass wir derart vernunftbegabte Wesen sind. Wären wir Haie oder Ratten, würden wir in deiner Gegenwart wahnsinnig«, hatte er einmal im Scherz zu ihr gesagt. Doch war das wirklich nur ein harmloser Scherz gewesen? Sicher, sie brauchte weder vor ihm, noch von den anderen einen Angriff zu fürchten. Was aber war mit denen, die sie nicht kannten. Karen ahnte nicht, wie riskant ihr Leben geworden war, seit sie in der Welt ihres Vaters lebte.
Dort kreuzten nicht nur Familienmitglieder ihren Weg. Fremde konnten in ihrer Gegenwart zu unberechenbaren Raubtieren werden. Karens Blut vereinte den verlockenden Duft der Sterblichen mit dem eines Hirudo. Diese Kombination konnte sie in einem unbewachten Moment durchaus das Leben kosten.
Mit einem breiten Lächeln versuchte er von seinen düsteren Gedanken abzulenken. Zu ihr aufblickend griff er nach ihrer schmalen Hand und schnupperte an dem warmen Puls.
»Ah, unwiderstehlich, meine Süße, absolut unwiderstehlich.«
Sie kicherte und strich mit ihrer Hand über seine Wange. Er wünschte, ihr ein wenig von dem geben zu können, wonach sich jedes sterbliche Wesen sehnt. Vor allem die Wärme einer Umarmung. Doch seine Arme waren kalt. So kalt und hart wie das Eis, in welches der Winter alles Wasser verwandelte. Alles, was er bieten konnte, war ein Mysterium und die Verlockung, für die manche Menschen ihr Leben riskiert hätten. Sie brachten sich in Todesnähe, um einen Augenblick, eine Minute oder eine Nacht mit einem Geschöpf zu verbringen, das Liebe, Tod und unsterbliches Leben in sich vereinte.
»Ihr seid der Inbegriff menschlicher Urängste. Liebe und Tod. Die Sehnsucht, das eine unsterblich zu erhalten und das andere zu überwinden. Auch das ist unwiderstehlich. So wie unsere Wärme euch lockt, bindet uns eure Andersartigkeit.«
Calman erschrak. Er hatte vergessen, wie gut sie mittlerweile darin geworden war, seine Gedanken zu ergründen. Vergaß er, so wie jetzt, sich ihrem Zugriff zu verschließen, war Karen sehr leicht in der Lage, hinter den dünnen Vorhang zu blicken, welcher sein und ihr Bewusstsein trennte. Ihr Talent war beängstigend und wundersam zugleich.
Wäre sie eine Hirudo, hätte ihn ihre Begabung nicht weiter verwundert. Lucas Vale vermochte schließlich auch seine Telepathie einzusetzen. Doch Karen war menschlich. Zwar war Karen Lucas biologische Tochter und wurde gezeugt, als er sich in der Umwandlung zum Vampir befand. Dennoch würde niemand jemals mit Sicherheit sagen können, wie und ob er auf diese Art drei seiner Talente an sie hat weitergeben können. War das Erbe in seinem Samen oder doch in seinem Blut, welches er ihr zu trinken gab, ehe er mit Jarout in seinen Armen floh?
Es ging die Legende, dass Maratos selbst mit dem Samen, des von ihm übernommen Körpers eines Menschen, ein Kind zeugte. Und dass dieses Kind seltsame Kräfte gehabt haben soll. Eine Legende, wie gesagt. Halbwissen. Zu gern hätte Calman Karens DNA analysieren lassen. Doch sie weigerte sich strikt, ihm eine Probe ihres Blutes zu überlassen. Das Letzte, so schimpfte sie aufgebracht angesichts seines
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