Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
magerer Leib zitterte unkontrolliert und ein jämmerliches Wimmern wie das Winseln eines Welpen drang aus seiner Kehle.
»Und sagte er nicht auch: Fürchte dich nicht?«
Grauen peitschte Turners Gedanken, sich windend schlug er ziellos um sich. Die Lampe, getroffen von seiner linken Hand, fiel scheppernd zu Boden. Brennendes Petroleum ergoss sich wie ein flammender Teppich. In sekundenschnelle leckten sich die gierigen Flammenzungen die ausgetrocknete Holzwand empor und verbreiteten beißenden Rauch und lodernde Hitze. Doch Turner beachtete das Feuer nicht. Sein ganzes Denken und Sein war auf die dunkle Gestalt des Mannes vor ihm gerichtet.
Seine Panik mischte sich mit dem Gefühl der Vertrautheit, Ähnliches schon einmal erlebt zu haben. In Erwartung des Schmerzes, den er als Preis für kommende Glückseligkeit zahlen musste, bot er seine Kehle dar. Er spürte lähmende Kälte, als sich der schwarze Umhangstoff auf seine vom Feuer erhitzte Haut legte und undurchdringliche Finsternis ihn einhüllte.
»Ich danke dir für deinen Gehorsam«, wisperte die einschmeichelnde Stimme dicht neben ihm, »und spreche dich frei.«
Erschrocken riss Turner die Augen auf.
»Ich spreche dich frei davon, umherzuirren.«
In blinder Panik schlug er um sich, doch seine krallenden Finger fuhren ins Leere.
»Ich spreche dich frei davon, zu begehren.«
Da erfasste ihn ein plötzlicher Sog, der ihn zu zerreißen drohte. In dem verzweifelten Versuch, dem brutalen Zerren und Ziehen zu widerstehen, bäumte sich sein knochiger Leib wild auf. Doch jegliche Gegenwehr war zwecklos.
»Ich spreche dich frei davon, zu sein.«
Mit einem gewaltsamen letzten Stoß fühlte Turner sich fortkatapultiert. Haltlos wirbelte er durch substanzlose Dunkelheit, die erst sein Denken und letztlich auch seine Seele verschlang.
In dem brennenden Schrein jedoch, inmitten der Flammen, erhob sich Turners Körper. Seine einstmals dürre Gestalt gewann zusehends an Kraft, streckte sich, zerrte an den Fesseln der Form, der sie entwachsen wollte. Zuvor ausdruckslose, schwache Augen erstrahlten zu gleißend weißen Flammen reiner Energie und als sich der schmallippige Mund zu triumphierendem Schrei öffnete, wurden mächtige Fänge sichtbar.
Gott hatte ihn verschont. Mehr noch: Er war zurückgekehrt. Wiederauferstanden in lebendigem Fleische, um seine Bestimmung auf neuem Wege zu erfüllen. Doch für Genugtuung und Euphorie blieb keine Zeit. Hastig eilte der wiedererstandene Geist in seinem neuen Leib, um den lodernden Flammen zu entkommen. Vor dem nächsten Morgengrauen galt es, einen neuen, sicheren Unterschlupf zu finden. Und einen neuen Wächter, der IHN, Dorian Prior, schützte.
~ 12. Kapitel ~
In dem Abschiede genommen werden
An Denis Seite schritt Karen hinaus auf die Terrasse. Sofort jagte ihr der eisige Wind eine Gänsehaut über den Rücken. Der beißende, metallene Geruch von Eis und Schnee lag in der frostklaren Luft. Das Versprechen von noch mehr Schnee und weiteren bitterkalten Nächten, die dieser folgen sollten.
Der Mond stand hoch über den pechschwarzen Baumwipfeln, die ihre spitzen Krallen nach dem silberhellen Himmel reckten. Sein bleiches Licht wurde um ein Vielfaches von dem schlohweißen Leinentuch, das der Winter über die weite Gartenanlage gelegt hatte, reflektiert und hüllte die Nacht in geisterhaften Silberschimmer. Ein schmaler Pfad war von Schnee befreit und führte bis zu einem mannshoch aufgeschichteten Holzstoß in der Mitte des Gartens. Dorthin begab sich auch die Prozession, deren Spitze Arweth und Calman bildeten. Ihnen folgten Lucas und Seamus, dann Galina und Blanche und schließlich, am Ende der Reihe, Jarout, Denis und Karen.
Auch Sappho hätte anwesend sein sollen. Doch aufgebracht darüber, dass Arweth die Rettung seiner Tochter Serena für wichtiger als Sapphos Anwesenheit erachtet hatte, war sie bei Anbruch der Nacht abgereist. Als Karen Calman gefragt hatte, was denn jetzt aus der Allianz würde, hatte dieser nur müde gelächelt und gemeint, er müsse sich wohl wieder ein Ticket nach Manaus inklusive Büßergewand für den erneuten Bittgang bei Sappho besorgen. Zeigte er sich nur einschmeichelnd genug, würde sie sich sicher erweichen lassen, hoheitsvoll zurückzukehren. All diese Überlegungen aber hatten Zeit bis nach Malcolms Beisetzung. Diese hatte zunächst Priorität.
Beryl und Eliane warteten bereits vor dem Scheiterhaufen, der errichtet worden war, um Malcolms Leichnam zu verbrennen. Das
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