Dunkles Feuer
würde nicht rechtzeitig bei Steve sein, um ihn zu warnen. Richard war etwa zum gleichen Zeitpunkt losgefahren wie er, aber er hatte keinen chinesischen Agenten mit einer Waffe in der Hand neben sich sitzen.
Dao Npei hatte nur einen geringen Teil der geführten Unterhaltung verstanden, besonders Eves Worte waren ihm entgangen. Sie hatte leise geredet, und sein Englisch war nicht so gut, dass er schnell ausgesprochene Wörter und Sätze verstand. Trotzdem ahnte er, dass etwas geschehen war. John Chen wirkte noch angespannter als zuvor. Mit grimmigem Gesichtsausdruck starrte er auf die nasse Fahrbahn und beschleunigte den Wagen.
Er überlegte, ob er Chen fragen sollte, um was es in dem Gespräch gegangen war, aber er wollte nicht, dass der andere eine Schwäche an ihm entdeckte. Es war wichtig, dass Chen gefügig blieb, und außerdem würde er die Gelegenheit nur ausnützen, um ihn zu belügen. Im Augenblick waren keine Informationen besser als falsche. Wenn sie die Hütte erreichten, würde er sich selbst ein Bild von der Lage machen.
Er lehnte sich in seinen Sitz zurück. Er konnte warten. Er wartete schon sein ganzes Leben auf einen ganz bestimmten Augenblick, und nichts würde ihn aufhalten, diesen Augenblick zu genießen.
John Chens langsamen Tod in einem Meer aus Schmerzen.
Als Hendersons Aufzeichnung der Telefongespräche zwischen Richard Cameron und Liz Sanders, und John Chens Telefonat mit Eve Turner in der Zentrale eintraf, war William Holden nicht an seinem Platz.
Er nutzte die Gelegenheit für einen Spaziergang und wanderte langsam am Potomac entlang. Zweiundsiebzig Stunden hatte er fast ohne Unterbrechung Dienst geschoben und im Gegensatz zu den anderen Teammitgliedern kaum geschlafen. Nun war er müde, aber er musste weiter durchhalten.
Die frische Luft und der leichte Regen auf seinem Gesicht vertrieben die Geister des Schlafs und Holden genoss nach der hektischen Betriebsamkeit in der Zentrale die Stille und Einsamkeit der nächtlichen Landschaft.
Nach einer Stunde fühlte er sich soweit erholt, dass er wieder in die Fabrikhalle mit ihrer abgestandenen Luft zurückkehren konnte.
Holden war gerade erst eingetreten, als ihm Kevchak aufgeregt entgegenstürmte. Der Russe war normalerweise die Ruhe in Person. Dass sein bleiches Gesicht rot angelaufen war, amüsierte Holden, aber ihm verging das Lächeln schon nach Kevchaks ersten Worten.
„Wir haben Sanders’ Versteck ausfindig gemacht. Das war vor über einer Stunde. Verdammt, wo waren Sie?“
Holden registrierte erstaunt, dass so viel Zeit vergangen war. Der Spaziergang war ihm wesentlich kürzer vorgekommen.
„Ich war draußen. An der frischen Luft“, erklärte er dem Nachrichtenspezialisten. „Warum die Aufregung?“
Wortlos reichte ihm sein Untergebener die schriftliche Abfassung der geführten Telefongespräche. Holden wurde immer blasser, je mehr er las.
Er hatte einen Fehler gemacht. Einen gewaltigen Fehler.
Cameron plante Steve Sanders zu ermorden, und er hatte einen Vorsprung von mindestens sechzig Minuten.
Steve versteckte sich also in der alten Jagdhütte seines Vaters. Holden beschimpfte sich innerlich, dass er nicht gleich darauf gekommen war. Er wusste, dass die Hütte in der Chesapeake Bay lag. Er kannte sogar ihren genauen Standort.
Jetzt musste er handeln, und zwar schnell. Brüllend gab er seine Befehle.
Die Flammen leckten wie gewaltige Zungen über das Holz der Baumstämme, aus denen die Hütte bestand. Rasend schnell breitete sich das Feuer aus. Der leichte, über die Bucht streifende Wind verschlimmerte die Sache noch. Innerhalb kürzester Zeit brannte das Blockhaus lichterloh. Funken stoben in den nächtlichen Himmel. Holz knackte und knirschte.
Richard Cameron saß in zehn Meter Entfernung auf einem umgestürzten Baumstamm und genoss das Schauspiel, bis ihn die zunehmende Hitze weiter nach hinten trieb.
In Sicherheit, mit staunenden Augen, verfolgte er, wie das trockene Holz in einem Inferno aus Flammen verschwand.
Es konnte keinen schöneren Anblick geben.
Steve erwachte hustend aus seinem traumlosen Schlaf, als die Fensterscheiben explodierten und heiße Glassplitter durch den Raum zischten. Benommen richtete er sich auf. Er bekam kaum noch Luft und musste würgend husten. Seine Lungen füllten sich mit Rauch und erhitzter Luft, gaben ihm das Gefühl, ersticken zu müssen.
Mit weit aufgerissenen Augen saß er auf dem Bett, unfähig sich zu bewegen. Er zitterte wie im Fieberkrampf, seine Glieder
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