Dunkles Feuer
zuckten unkontrolliert. Sein persönlicher Alptraum war Realität geworden.
Sein Denken setzte vollständig aus. In der schwarzen Leere seines Geistes herrschte die Angst.
Steve wartete auf seinen Tod.
24. Kapitel
Npeis Grinsen entblößte schlechte Zähne. Die Waffe, die er nach wie vor auf John gerichtet hielt, tanzte wie eine wütende Kobra.
„Habe ich dir schon von dem Lager berichtet, in das deine Schwester und deine Mutter nach eurem dummen Fluchtversuch gebracht wurden?“, fragte er. In seinen Augen funkelte die Freude an der Qual des Anderen.
John Chen presste die Lippen aufeinander, bis sie eine harte Linie in seinem Gesicht bildeten.
„Das Lager lag in der Nähe der Stadt Mauxung an der Grenze zur mongolischen Steppe.“ Npei hustete kurz und spuckte auf den Fahrzeugboden. „Eine wirklich einsame Gegend. Ich war einmal dort. Staub, nichts als Staub. Deine Mutter wurde in die Bergwerke geschickt. Eine zähe Frau. Ich habe ihre Akte gelesen. Nach zwei Jahren erblindete sie vollkommen, aber sie hielt noch weitere drei Jahre durch, bevor man sie in irgendeiner Ecke des Lagers verscharrt hat.“
„Du hast gesagt, sie wäre noch am Leben“, schrie John verzweifelt auf. Er kannte den Grund für Npeis plötzlichen Stimmungswandel nicht. Meile um Meile fuhren sie nun schon durch die Nacht. Die Hütte war nicht mehr weit, und plötzlich benahm sich Npei wie ein Wahnsinniger, bedrohte und beschimpfte ihn.
„Das war eine Lüge. Die Alte ist tot!“
Über Johns Gesicht liefen Tränen, aber Npei bemerkte sie nicht. Ungerührt erzählte er weiter. „Deine Schwester erwischte es besser. Sie war bei den Lagerwachen beliebt und wurde oft in deren Hütten geholt. Man hat mir gesagt, sie habe es genossen, die Männer zu bedienen und habe nie genug bekommen können.“ Npei kicherte leise. „Am Schluss war ihr Blütenkelch so ausgeweitet, dass sie ein Pferd in sich hätte aufnehmen können.“
„Sie war erst zwölf Jahre alt!“, keuchte John entsetzt, dann riss er das Steuer herum.
Der Wagen schoss von der Straße. In einer Fontäne von aufgewirbelter Erde raste er über den holprigen Boden.
„Was tust du ...?“, kreischte Dao Npei.
Der Aufprall warf sie beide nach vorn. Der Airbag auf Johns Seite explodierte mit einem lauten Knall und fing die Wucht der Vorwärtsbewegung ab.
Npei wurde so heftig in den Gurt geschleudert, dass sein Genick brach. Selbst durch das Wimmern des Metalls und das Aufheulen des Motors war das Geräusch zu hören. Leblos sackte er in sich zusammen. Die Waffe fiel aus seiner kraftlosen Hand.
Aus Johns Nase strömte Blut in einer breiten Spur sein Kinn hinunter und befleckte sein Hemd.
Die Tür des Civic war deformiert. Er musste sich mit seinem gesamten Gewicht dagegen lehnen, um sie öffnen zu können. Als er aus dem Fahrzeug kroch und zu Boden sank, überkam ihn eine Welle der Übelkeit, und er erbrach sich ins Gras.
Als das Würgen nachließ, wanderte sein Blick zu Npei, der in grotesker Haltung wie eine Marionette, der man die Fäden gekappt hatte, in seinem Gurt hing und aus leeren Augen auf seine Hände starrte.
John rappelte sich auf. Das Entsetzen über seine Tat traf ihn mit voller Wucht. Er hatte Npei getötet. Nun würde die chinesische Regierung kein Erbarmen kennen. Sie würden seine Schwester hinrichten lassen. Was hatte er bloß getan?
Dann richtete er sich auf, stand auf schwankenden Beinen, das Gesicht nach oben in den immer stärker werdenden Regen gewendet.
„Hilf mir“, schrie er zu einem Gott, an den er nicht glaubte, und immer wieder rief er den Namen seiner Schwester. Er schrie, bis ihm die Stimme versagte, dann ging um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür. Seine Hand tastete über den Fahrzeugboden, bis sie sich um das kühle Metall von Npeis Waffe schloss.
John steckte sie ein, dann lief er durch die Nacht und den Regen zur Straße hinauf und von dort immer weiter in die Richtung, in der Steves Hütte liegen musste.
Der Rauch füllte die ganze Hütte aus, aber Steve nahm seine Umgebung nicht mehr wahr. Blicklos, mit gesenktem Kopf, starrte er in die Flammen. Feuerzungen leckten die Wände empor, verschlangen gierig alles auf ihrem Weg.
Ein Balken brach und fiel Funken stiebend zu Boden. Die Hitze war unerträglich geworden, aber er rührte sich immer noch nicht.
Die Welt existierte nicht mehr. Steve war wieder im Irak, roch den Pulverdampf der feuernden Panzer, hörte den Donner der Einschläge. Der Panzer brannte. Nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher