Dunkles Indien
Lederaufschlägen versehen war. Der Tote schien ein Mann von vierzig bis fünfzig Jahren gewesen zu sein, war über Mittelgröße und hatte helles sandfarbiges Haar, einen langen Schnurrbart und einen rauhen ungepflegten Backenbart. Der linke Eckzahn des Oberkiefers fehlte, ebenso ein Teil des rechten Ohrläppchens. Am zweiten Finger der linken Hand stak ein Ring mit einem schildartig geformten, in Gold gefaßten Blutstein und einem Monogramm darin, das entweder B. K. oder B. L. sein konnte. Der dritte Finger der rechten Hand trug einen sehr abgenutzten silbernen Ring, der eine zusammengerollte Kobra darstellte. Gunga Daß hatte, bevor er gegangen war, eine Hand voll kleiner Gegenstände, die er offenbar in der Höhle zusammengerafft, zu meinen Füßen niedergelegt. Ich breitete mein Taschentuch über das Gesicht des Toten und machte mich daran, die Sachen zu prüfen. Ich gebe hier eine Liste von ihnen; vielleicht dient sie dazu, daß jemand dadurch instand gesetzt wird, die Person des Unglücklichen festzustellen:
1. Ein Pfeifenkopf aus Bruyereholz, am Rande ausgezackt, sehr verbraucht und beinahe schwarz geraucht, an der Schraube mit Spagat festgebunden.
2. Zwei Patentschlüssel mit abgebrochenen Barten.
3. Federmesser mit Schildkrotschale, Namenplatte aus Silber oder Nickel, Mongramm B. K.
4. Briefumschlag, Poststempel nicht mehr zu entziffern, Viktoriabriefmarke, adressiert an Miss Mon –(Rest unleserlich) — »ham« – »nt.«
5. Notizbuch aus imitiertem Krokodilleder mit Bleistift. Die ersten fünf Seiten leer, zwei und eine halbe unleserlich, fünfzehn weitere ausgefüllt mit privaten Aufzeichnungen, die sich hauptsächlich auf drei Personen bezogen: eine Mrs. Singleton, verschiedene Male abgekürzt durch »Lot Single«, Mrs. S. May und einem Mr. Garmison, der bisweilen auch »Jerr« oder »Jack« genannt wird.
6. Griff eines schmalen Jagdmessers, Klinge kurz abgebrochen, Hirschhorn, oben glatt geschliffen, mit Kette und Ring am Ende, Fragment einer Baumwollschnur angeknüpft.
Natürlich nahm ich dieses Verzeichnis nicht auf der Stelle so genau auf, wie ich es hier niederschrieb. Das Notizbuch fesselte zuerst meine Aufmerksamkeit; ich steckte es in die Tasche mit dem Vorsatz, es später durchzusehen. Die übrigen Gegenstände trug ich sicherheitshalber in meine Höhle, und dort erst fertigte ich als ordnungsliebender Mann das Verzeichnis an.
Ich kehrte sodann zu der Leiche zurück und befahl Gunga Daß, mir zu helfen, sie an die Flußseite zu tragen. Während wir damit beschäftigt waren, fiel die abgeschossene Hülse einer braunen Patrone aus einer Tasche des Toten vor meine Füße. Gunga Daß hatte es nicht bemerkt. Ich sagte mir sofort, daß ein Mann, der auf die Jagd geht, abgeschossene Patronenhülsen, zumal braune, die man nicht zweimal laden kann, nicht mit sich herumtragen wird. Ich schloß daraus, daß die Patrone innerhalb des Kraters abgeschossen worden war. Folglich mußte noch irgendwo die Flinte sein! Ich wollte schon Gunga Daß dieserhalb befragen, aber ich überlegte es mir noch rechtzeitig, denn ich nahm an, er würde mich bestimmt belügen. Wir legten die Leiche nahe den Grasbüscheln auf den Treibsand nieder. Meine Absicht war, sie weiter hinauszuschieben, damit sie der Schwimmsand verschlingen könne — die einzige hier mögliche Art eines Begräbnisses. Ich befahl Gunga Daß, sich zu entfernen.
Dann schob ich die Leiche behutsam auf den Schwimmsand. Dabei – sie lag mit dem Gesicht nach unten – zerriß der braune morsche Jagdrock und ein schreckliches Loch im Rücken des Toten wurde sichtbar. — Wie ich bereits erwähnt habe, hatte der trockene Höhlensand den Körper in eine Mumie verwandelt. Ein einziger Blick sagte mir, daß die weitklaffende Wunde von einem Flintenschuß herrühren mußte, aber, darüber konnte kein Zweifel herrschen: der Schuß war aus nächster Nähe abgefeuert worden! So zwar, daß der Gewehrlauf beinahe den Rücken des Unglücklichen berührt hatte. Der Jagdrock hingegen war unbeschädigt; offenbar hatte man ihn erst nachträglich der Leiche übergezogen. Der Tod mußte unmittelbar nach dem Schuß eingetreten sein. Die näheren Umstände waren mir sofort klar: irgend jemand von den Kraterbewohnern, vermutlich Gunga Daß, mußte den Unglücklichen mit dessen eigener Flinte – eben jener Flinte, zu der die braunen Patronen paßten – erschossen haben. Der Fremde hatte gar nicht versucht – angesichts der von dem verankerten Boot drohenden Gefahr
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