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Dunkles Licht

Dunkles Licht

Titel: Dunkles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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konnte ohne Hilfe weder essen noch trinken, noch sich ankleiden oder gar sich erleichtern. Die meiste Zeit über schlief er, aber unruhig, wegen der Schmerzen in Händen und Handgelenken. Sogar der größte aller Heiler konnte sich selbst nicht heilen.
    Zum Ende des zweiten Tages ging es ihm wieder so gut, dass er die Abendgebete leiten konnte. Am folgenden Morgen bestand er darauf, dass Charles an die Arbeit zurückkehren solle. Die Abwesenheit kostete den Schreiner nicht bloß Geld, sondern mochte auch Aufmerksamkeit erregen. Seine Werkstatt lag nur wenige Straßen von Schweinetrog entfernt, und besonneneren Köpfen in der Regierung hätte inzwischen klar werden sollen, dass ihnen ihr kostbarer Gefangener unter der Nase hinausgeschmuggelt und nicht von Dämonen davongetragen worden war. Alles Ungewöhnliche in der Nachbarschaft war vielleicht einer Untersuchung wert.
    Also gingen von da an die Männer täglich zur Arbeit, die Dienerinnen putzten und kochten, und Rollo war allein mit der weisen Nell. Sie saßen im Wohnzimmer und verplauderten die Stunden. Das Wohnzimmer war ein kleiner Raum, eher gemütlich als schick, gedacht dazu, dass sich drei große Männer an einem Winterabend um ein Feuer zusammensetzen, Pfeife rauchen und das Tagwerk besprechen oder Pläne für einen Flüchtling ausarbeiten konnten. Im Frühling war der Kaminrost leer, und die Fenster standen offen und blickten auf einen stillen Hof hinaus. Es war typisch für die sorgfältige Lebensplanung der Molesworths, dass keine weiteren Fenster zu ihnen hineinschauten.
    Nell war eine sehr attraktive junge Frau mit dunklen Augen und dunklem Haar; ihre Zähne blitzten wie Sterne, wenn sie lächelte. Sie brachte Rollo hinsichtlich der Neuigkeiten in Albiurn, die er bei seiner Mission wissen musste, auf den letzten Stand. Sie übernahm die Aufgabe, ihn zu füttern, und alles andere, bis auf dieintimsten persönlichen Dinge. Sie war eine ausgezeichnete Gesellschafterin. Rollo war neugierig zu erfahren, warum sie nach wie vor hier war. Schließlich war die Rettung doch gelungen. Aber er war auch glücklich darüber.
    Er überlegte, welchen Hintergrund sie hatte. Wo lebte sie? War sie verheiratet? Verlobt? Er wusste nicht, wie er solche Fragen formulieren sollte, und sie berichtete von sich aus nur, dass ihr Vater Schreiber in Diensten von Baron Bancarrow war, einem Angehörigen der Kirche des Lichts, der jedoch der Sache der Kinder wohlwollend gegenüberstand. Nell war in einem kultivierten Haushalt aufgewachsen. Sie spielte Spinett und rezitierte Gedichte. Sie hatte mit vierzehn einen Führer erworben.
    »Ich bin deinem Vertrauten noch nicht begegnet«, sagte Rollo.
    Sie lächelte. »Vielleicht wirst du es bereuen, ihm zu begegnen. Natter, komm raus und lerne Bruder Rollo kennen!«
    Die Vorderseite ihres Kleids drehte und wand sich wie von selbst, und ein rechteckiger, geschuppter Kopf tauchte über ihrem Mieder auf. Augen wie Glasperlen betrachteten Rollo.
    »Äh, freut mich, dich kennenzulernen, Natter. Tut mir leid, dass ich dir noch nicht die Hand schütteln kann.«
    Sie grinsten und brachen dann in Gelächter aus – zum ersten Mal, seitdem er Xennia verlassen hatte, lachte er.
    »Natters Biss würde eine erwachsene Person nicht umbringen«, erklärte sie. »Aber er wäre ziemlich schmerzhaft.«
    Ja, jeder Möchtegern-Vergewaltiger würde abgelenkt werden, wenn ihn eine Natter ins Gesicht beißen würde. Die Schlange glitt wieder zurück.
    »Also hast du Gaben zur Beherrschung und Inspiration«, sagte er. »Wofür ich neulich nachts überaus dankbar war.« Es zeugte von schlechten Manieren, einen Adepten unverblümt nach seinen Talenten zu fragen, aber er hatte das Gefühl, dass Nell es kaum erwarten konnte, ihm davon zu berichten.
    »Und Ablenkung«, sagte sie. »Aber das ist bloß eine besondere Form der Inspiration. Und etwas Einsicht. Nicht annähernd so gut wie die Bairdin, aber ich kann die faulen Eier ziemlich häufigerkennen.« Nach einem Moment fügte sie hinzu: »Und die guten. Das Gerücht geht um, dass du über alle verfügst.«
    »Nein. Einsicht ist diejenige Gabe, deren Fehlen ich am meisten bedaure. Jeder Schurke in Albi könnte mir ein Maultier verkaufen und mir einreden, es sei ein Pferd. Und ich kann nicht rütteln. Ansonsten hätte ich diese Handschellen kaum sehr lange getragen.« Seine bandagierten Handgelenke juckten wie verrückt.
    »Ich habe Rütteln für einen Mythos gehalten.«
    »Nein, ich hab’s schon gesehen. Obwohl,

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