Dunkles Spiel der Leidenschaft
Beispiel. Ich finde diesen Zug sehr liebenswert. Und das hat nicht
unbedingt etwas damit zu tun, dass die Chemie zwischen uns stimmt.«
Er seufzte. »Ich frage wohl
besser nicht, was du unter kindisch, aber liebenswert< verstehst.«
Sie lächelte ihn an. »Nein,
lieber nicht. Du sollst mir von deiner Kindheit erzählen. Von dir selbst, damit
ich dich besser kennen lerne.«
Er zog ihre Finger an seine
Lippen, wollte ... nein, er musste ihre Nähe fühlen. »Ich bin mit Darius,
Desari, Barack, Syndil und Savon aufgewachsen. Wir waren als Kinder ganz auf
uns gestellt. Es gab keine Erwachsenen, die sich um uns gekümmert hätten.
Darius war derjenige, der die Verantwortung für uns übernahm. Er war sechs
jähre alt und zeigte schon damals deutliche Anzeichen von großer Stärke und Willenskraft.
Darius war es, der die meisten Risiken für uns einging.«
Seine Zähne knabberten nervös
an ihren Fingerspitzen, doch es schien ihm nicht bewusst zu sein. Corinne sah
ihn ruhig an. »Wie konnte eine Gruppe von Kindern wie ihr durch das soziale
Netz schlüpfen? Wie habt ihr es geschafft, zu essen und zu trinken zu
bekommen?«
»Wir wurden von unserem Volk
getrennt, und man nahm an, wir wären zusammen mit unseren Eltern ums Leben
gekommen. Wir erlitten Schiffbruch und landeten in Afrika. Dort sind wir
aufgewachsen. Unsere Band reist mit Leoparden; wir haben sie großgezogen. Im
Grunde haben wir sehr viel von Tieren gelernt. Es war eine schwere Zeit, doch
sehr lehrreich.«
Corinne nagte versonnen an
ihrer Unterlippe. Sie glaubte ihm, obwohl es nahezu unmöglich zu sein schien,
dass sechs Kinder allein in Afrika überleben konnten. Der Kontinent war wild
und ungezähmt. Etwas in ihr erkannte die Wahrheit in seiner schlichten
Erklärung, aber sie spürte, dass es einiges gab, das er ihr verschwieg.
»Dayan«, sagte sie leise. Er
hob den Kopf. »Entweder du vertraust mir, oder du vertraust mir nicht. Du musst
dich entscheiden.«
»Was, wenn ich dir eröffne,
dass ich kein Mensch bin?« Seine Stimme klang ruhig, doch seine Zähne bohrten sich
tiefer in ihre Finger. »Wenn ich dir erzähle, dass meine Eltern während der
Türkenkriege gestorben sind? Würde dich das nicht ängstigen?«
Corinnes Herz schlug sofort
schneller, und sie war froh über die Ablenkung, froh, sich darauf konzentrieren
zu müssen, es wieder langsamer schlagen zu lassen, und Zeit zum Nachdenken zu
haben. Sie hatte bereits vermutet, dass irgendetwas an Dayan nicht ganz
menschlich war, aber es von ihm bestätigt zu hören, war etwas ganz anderes. Die
Türkenkriege? Was hatte das zu bedeuten?, überlegte sie.
»So feige bin ich hoffentlich
nicht. Bist du etwas anderes, als du mir bisher gezeigt hast? Der Mann, den ich
kenne und mag, ist nämlich sehr liebevoll und fürsorglich und einfach fantastisch.«
Sie tastete sich behutsam weiter, versuchte, ihn zu ermutigen und sich
gleichzeitig die Zeit zu verschaffen, die sie brauchte, um diese Informationen
zu verarbeiten.
Er wandte den Blick ab, weil er
es nicht ertragen hätte, Ablehnung in ihren Augen zu sehen. »Ich möchte gern
liebevoll und fürsorglich sein, Corinne, doch in Wahrheit bin ich ein
Raubtier«, sagte er bedauernd. »Du bist all das, was in mir gut und richtig
ist.«
Corinne schüttelte den Kopf.
»Du bist so viel mehr als ein Raubtier, Dayan, was immer du damit meinst. Du
bist ein unvergleichlicher Dichter. Die Worte, die aus deiner Seele kommen,
die Musik, die du spielst -das bist du. Das andere ist vielleicht Teil deiner
Natur, aber nur ein kleiner Teil. Du könntest die Dinge nicht sagen, die du
aussprichst, die wundervollen Worte, die du mir schenkst, wenn du sie nicht
tief in deinem Inneren spüren würdest.«
Er öffnete ihre Hand und
betrachtete einen Moment lang ihre Lebenslinie, bevor er die Mitte ihrer
Handfläche küsste. »In meiner Jugend habe ich so viele Dinge gefühlt, so viel
Musik, dass es fast schien, als wäre ich selbst Musik. Ich konnte sie überall
hören, in der Erde und im Himmel, in den Bäumen, in den Tieren. Ich konnte sie
hören und wusste, dass Musik meine Welt war. Allmählich verblasste dieses Gefühl.
Es war ein erschreckender Gedanke, dass ich es vielleicht völlig verlieren
würde, deshalb schrieb ich Lieder, hunderte, tausende Lieder, ließ all die
Noten und Worte aus meinem Inneren kommen, um sie für immer im Gedächtnis zu
behalten. Im Lauf der Jahre waren diese Erinnerungen alles, woran ich mich klammern
konnte, um die Dunkelheit zu überstehen. Ich
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