Dunkles
ein starkes Bedürfnis, sich herauszunehmen. Sich auszuklinken für eine Zeit. Ruhe einkehren zu lassen. Irgendetwas in ihm zwang ihn dazu.
Eine Gewürzmischung!, funkte sein Gehirn dazwischen. Wo kam das denn jetzt her? Aber es stimmte, irgendwo war das gespeichert und sauber abgelegt – nur leider an einer Stelle, wo man es nicht gleich findet. Weil man die Information nicht wirklich oft braucht: Curry ist eine Mischung, wurde gemeldet. Aber nicht indisch, wird dort auch nicht verwendet. Curry ist tamilisch und enthält Sachen wie Muskatnuss und Muskatblüte, Fenchel, Paprika und Pfeffer, Senfkörner, Ingwer und Kardamom, was ja ebenfalls eine Ingwerart ist, aber auch so schön klingende Dinge wie Bockshornklee oder Stinkasant, auch »Teufelsdreck« genannt. Kein Wunder, dass das dann so lange nachschmeckt. Ist gut, das reicht.
Das ist genau die Mechanik, dachte Behütuns. Wird es zu viel, weichst du aus – und scheinbar zusammenhanglos tauchen obskure Gedanken in deinem Kopf auf.
Wieder fing das Rotkehlchen eine Fliege.
Eigentlich bräuchten wir jetzt eine Besprechung, den Bericht von allen auf dem Tisch. Erkenntnisse bündeln, besprechen, neue Aufgaben verteilen. Da – ups – kam die Currywurst erneut, mindestens 14 Gewürze. Ein Auto fuhr aufs Gelände, eine relativ große Limousine. Bog langsam ums Eck und stellte sich mitten hinein. Ein Mann stieg aus, gut sitzender dunkler Anzug, offenes, helles Hemd. Schlank und wohl um die 40, vielleicht auch schon an die 50. Stieg einfach aus und war da. Sah sich um und war kein bisschen erstaunt. Schien auch nicht sonderlich neugierig, aber die Augen blitzten. Nicht gekünstelt oder belustigt, sondern einfach nur positiv. Sah sich um, checkte Leute und Lage und ging auf Behütuns zu. Er hatte sofort erkannt: Der hat hier das Sagen.
»Kollitz«, stellte der Mann sich vor, sonst sagte er nichts.
Kollitz? Wo hatte er diesen Namen schon mal gehört? Das kann noch nicht lange her gewesen sein. Sein Gehirn schob das Curry beiseite und wurde sofort fündig: Das war der Mann, dessen Auto sie gestohlen hatten. P. A. hatte seinen Namen erwähnt.
»Behütuns«, stellte sich Behütuns vor. »Kommissar Friedo Behütuns, Polizei Nürnberg. Mordkommission.« Sie gaben sich die Hand.
»Wie kommen Sie hierher, wenn ich fragen darf?«, schob Behütuns gleich nach. »Besser gesagt: Woher wissen Sie, dass Sie uns hier finden?«, denn P. A. hatte ihm am Telefon berichtet, dass er und Dick diesen Mann noch sprechen wollten. Noch heute.
»Jetzt weiß ich's«, antwortete Kollitz. Lebhafte Augen sahen um sich.
»Was wissen Sie?«, fragte Behütuns.
»Dass Sie hier sind.«
Behütuns war das zu blöd.
»Und wie kommen Sie dann hierher?«
»Ich kümmer mich um die Gebäude hier. Das alles ist unser Gelände«, sagte Kollitz und machte mit dem Arm eine weit ausholende Geste.
»Wie muss ich das verstehen?« Behütuns begriff nicht recht, wollte mehr Informationen.
Kollitz griff in seine Jackentasche und kramte eine abgegriffene, verknautschte Visitenkarte hervor, gab sie dem Kommissar. »Joachim Kollitz, Köster Grundstücksgesellschaft Potsdam«, stand darauf, und »Leiter Expansion«.
Behütuns sah ihn fragend an.
»Das ganze Gelände gehört uns. Von der Autobahn«, er deutete hinüber, »bis zum Zaun hier, der Stadtgrenze zu Nürnberg, und von Steinach bis an die Straße dort.« Dabei deutete er in die Richtung, in die die Straße nach Herboldshof führte. »Fast 20 Hektar bestes Industriegelände, direkt an der Autobahn und am Schnittpunkt der drei Städte Fürth, Nürnberg, Erlangen. Wir wollen hier bauen.«
»Wohnen an der Autobahn?«, gab Behütuns sarkastisch zurück, der ihn sofort als einen dieser Bauträgerhaie einordnete. »Seniorenresidenzen als Schallschutz und dahinter verschachtelte Hundehütten zum teuren Wohnen auf engstem Raum?«
Das ließ er dann einfach so stehen. Er hatte keine gute Meinung von diesen Immobilienunternehmen. Kauften Land, immer die besten Stücke, machten gemeinsame Sache mit den Bürgermeistern oder deren Ämtern, keine Ahnung, wie die immer an die Grundstücke kamen, und dann klotzten sie irgendwelche hässlichen Schuhschachteleinfamilienklitschen hin, die sie für teures Geld weiterverkauften. »Junges Wohnen«, nannte sich das dann, oder »generationenübergreifendes«, »Zukunfts-Residenz« oder »Wohnen für die Träume«. Dafür gab es dann auch noch öffentliche Zuschüsse. In so einem Kontext hätte er auch gerne einmal einen
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