Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dunkles

Titel: Dunkles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
Vom Netzwerk:
Hatte sich einen Tisch am Rand geschnappt, lehnte mit seinem Stuhl an der Sandsteinwand des alten Gebäudes und sah den Gästen zu. Ein schönes Dunkles, im Glaskrug, das war doch schon mal was. Drei Bratwürste auf Kraut. Mit Fleisch darin, das man sieht. Und schmeckt! Bratwürste! Nicht »naggerde« Kochzipfel vom Hoeneß. Kein glibberiges Supermarkt­massenwaren­plastik­verpacktzeug, das Innere bis zur – wahrscheinlich nicht ohne Grund! – Unkenntlichkeit durchgedreht und vermixt, sondern vom Metzger und mit Batzen drin. Bratwurstgehäck, nicht Bratwurstmatsch. Da muss man Stücke sehen! Und in der Pfanne gebraten waren sie auch, das konnte man ganz klar erkennen. Nicht einfach in die Fritteuse geklatscht. Das war auch so eine Unsitte, die immer mehr um sich griff. Da hauen sie seit Neuestem die Bratwürste rein, weil's schneller geht. Und einfacher. Ins gleiche Fett wie Pommes, Schnitzel, Calamares, Kordongblöh. Und dann sind sie rundum schön goldbraun, was für ein Ärgernis! Sehn aus wie Zipfel am Effkaka. Erbärmlich. Und empörend. Eine Bratwurst gehört in die Pfanne, beschimpfte Behütuns innerlich alle ignoranten Wirtsleute, die gehört in die Pfanne, aufs Bratblech oder vielleicht noch auf den Rost vom Grill, sonst nirgendwohin. Denn eine Bratwurst ist, wenn sie gebraten ist, rundum nicht gleich schön braun. Die hat dunkle und dunklere Seiten, so! Und auch einmal einen hellen Streifen. Die dunklen Seiten hat sie da, wo sie wegen ihrer Krümmung den Blech- oder Pfannenboden nicht berührt, und die dunkleren da, wo sie aufliegt. So eine Bratwurst lebt ja, wenn man sie brät. Die krümmt sich und spuckt Fett, und sie bewegt sich! Kann denn das eine Hoeneß-Wurst? Nein. Die ist tot. Steif. Wie eine ersoffene Maus. Eine Leiche. Leichenstarre. Sieht auch genauso aus. Fahl. Da spritzt das Fett doch allenfalls noch in der Pfanne, weil so viel Wasser drin ist! Eine Stinklaune konnte man bekommen, wenn man über Bratwürste sinnierte, dachte sich Behütuns, dabei passen die Würste hier doch. Sind genau so, wie sie sein müssen, wie ich sie will! Also stell um auf Freude und Genuss, du alter Sack, du wirst ja immer unerträglicher! Irgendetwas klopfte in seinem Hirn an und wollte seine Stimmung verändern. Die kann aber nur schlechter werden, wenn man grübelt. Je weniger du denkst, desto besser ist deine Laune. Je mehr du denkst, umso mehr ärgerst du dich, und wenn's nur über die Kompliziertheit deiner eigenen Gedanken ist. Ganz großer Müll ist das. Besser man denkt nicht, sondern lässt einfach laufen. Lässt das Hirn rennen, irgendwohin, und sieht ganz entspannt dabei zu. Oder hört und lauscht. Dabei kann man dann Dinge entdecken, das glaubst du nicht! Haben die doch alle keine Ahnung davon ...
    Noch aber war seine Laune mies. Nach dem zweiten Dunklen jedoch, und das wusste Kommissar Behütuns, würde das schon besser werden. Dunkles hellt die Stimmung auf. Meistens. Jetzt aber war seine Laune noch im Keller. Auch weil nichts voranging. Verdammt noch mal, warum klaut man denn ein Auto? Wenn's nicht aus Blödsinn geschieht, dann muss man Gründe dafür haben. Einen Grund. Vielleicht war das ja ein Ansatz.
    Also, warum klaut man ein Auto?
    Weil man es braucht.
    Weil man es haben will. Zum Rumfahren, zum Verkaufen, zum Ausschlachten vielleicht.
    Oder weil man den Besitzer schädigen will. Dann wär's persönlich motiviert, aus Rache oder Neid, was eigentlich kein großer Unterschied ist.
    Also: Man braucht's für irgendwas. Man will damit etwas machen.
    Behütuns orderte sein zweites Bier. Habe ich eigentlich schon einmal auf Bratwürste aufgestoßen?, fragte er sich. Seine Gedanken sträubten sich gegen die Beschäftigung mit dem Auto. Nein, immer nur auf Currywurst. Die hatte sein Gehirn jetzt wieder hervorgeholt aus lauter Not, dem Auto zu entfliehen. Mein Gehirn stößt mir die Currywurst auf, so wie vorgestern mein Magen, dachte Behütuns, nur um mich abzulenken! Ha, das wollen wir doch einmal sehen! Behütuns nahm den Kampf auf. Konzentration war alles.
    Warum eigentlich Konzentration?, lenkte man ihn oben wieder ab. Reicht denn nicht Zentration, also Zentrierung? Die ganze Kraft auf einen Punkt zusammenzuziehen? Aber Behütuns durchschaute das Manöver. Also: Man klaut ein Auto, weil man es für irgendetwas braucht.
    Ein Kind, das schon die ganze Zeit aufgedreht zwischen den Tischen herumgerannt war und förmlich danach schrie, hinzuknallen, hatte es jetzt endlich auch geschafft. Die Knie waren

Weitere Kostenlose Bücher