Durch den Sommerregen
Ich kann es ja mal versuchen.
„Das war doch vor Stunden. Und was bringt dich zu der Überzeugung, dass ich welche habe?“
„Ach, komm schon. Du bist Tätowierer. Gehört das da nicht zur Grundvorrausetzung? Sozusagen als Aushängeschild.“
„Ich bin definitiv kein Aushängeschild“, sagt er mit einem trockenen Lachen. „Aber wenn du zum Frühstück bleibst, dann darfst du sehen, wie ich nach dem Duschen nur mit einem Handtuch um die Hüften rumlaufe.“
Das beantwortet mir zwar immer noch nicht die Frage, ob er Tattoos hat, ist aber eine sehr verlockende Aussicht.
„Erklär mir mal die Schuhe. Wie kommt ein Kerl wie du an solche Mädchenschuhe?“
Wir liegen uns auf der Couch gegenüber und ich habe den Weg in seine Arme gefunden, meine Hand schon wieder auf seinem Herzschlag. Als müsste ich mich davon überzeugen, dass er echt ist.
„Ganz einfach. Meine Ma hat eine Fehlbestellung für ihre Praxis gemacht und konnte sie aus irgendeinem Grund nicht mehr zurückschicken. Also hab ich sie genommen, um hier auf dem Hof rumzulaufen. Findest du sie so schlimm?“
„Nicht wirklich. Nur passen die nicht zu dir.“ Seufzend schmiege ich meinen Kopf in seine Halsbeuge und genieße seine Nähe. Gabriel streicht mir durch die Haare und berührt dabei immer wieder meine Ohrmuschel; neben meinem Hals der sensibelste Punkt an meinem Körper.
„Helena?“, flüstert er so leise, dass ich es beinahe nicht gehört hätte.
„Ja?“
„Ich möchte dich gerne küssen.“
Für einen Moment stockt mir der Atem, obwohl ich damit schon längst gerechnet habe.
„Warum tust du es dann nicht?“ Ich hebe meinen Kopf, um ihn ansehen zu können. Er ist ein hübscher Kerl, mit klaren, grünen Augen, die von langen, dichten Wimpern umrandet werden, für die die meisten Frauen töten würden.
„Weil ich mir bei noch keiner Frau so unsicher war, wie ich es bei dir bin. Und ich will es wirklich nicht versauen.“
„Ich hab Angst, Gabriel.“ Nicht vor dem Kuss, nein. Aber vor all dem, was darauf folgen könnte.
„Das sehe ich, mon chouchou .“ Er streichelt mit dem Daumen über meine Schläfe und sieht mich an. Nicht abwartend, nicht fordernd, einfach nur beobachtend.
Trotz seiner Zurückhaltung kann er seine körperlichen Reaktionen in dieser Position nur schwer verbergen, denn ich spüre ihn schon seit einigen Minuten hart an meinem Schoß. Es kostet mich große Anstrengung, mich nicht an ihm zu reiben.
Ganz zaghaft mache ich den ersten Schritt und küsse seinen Mundwinkel. Sein Bart kitzelt mich. Ein ungewohntes, aber nicht unangenehmes Gefühl.
Seufzend schließt Gabriel die Augen und greift dabei mit einer Hand in meine Haare, um mich von einem Rückzug abzuhalten. Noch zögerlich saugt er an meiner Unterlippe, ein Gefühl, dass mir direkt zwischen die Schenkel fährt. Die andere Hand schiebt er unter mein T-Shirt und legt sie einfach nur auf meine Taille. Das ist auch besser so, denn jetzt gerade möchte ich mich nur auf seine Lippen konzentrieren. Ganz vorsichtig taste ich mich mit der Zungenspitze vor. Gabriel öffnet die Lippen für mich und kommt mir entgegen. Als hätten wir nie etwas anderes getan, tanzen unsere Zungen miteinander. Lippen küssen, liebkosen, saugen. Für diesen Moment, nur für die eine Sekunde, verliere ich mich vollständig in diesem Mann.
Gabriel stöhnt an meinem Mund und schiebt sich näher an mich, doch meine Hand auf seinem Brustkorb zwischen uns, hält ihn zurück und bringt uns wieder in die Realität.
Unter keinen Umständen kann ich heute Nacht hier bleiben, denn auch wenn mein Körper eindeutig andere Signale sendet, bin ich noch nicht bereit, mich ihm hinzugeben.
8.
Meine Hand macht mich wahnsinnig. Der Verband juckt und die Fäden ziepen. Nichts kann ich richtig anfassen. Duschen und Haare waschen ist sehr anstrengend, wenn man nur eine Hand zur Verfügung hat. Auch wenn Gabriels wiederholtes Angebot, mit mir in die Duschkabine zu steigen, sehr verlockend ist, mag ich nicht darauf eingehen. Ich will beide Hände zur Verfügung haben, um ihn richtig berühren zu können.
Da ich erst in zwei Tagen wieder arbeiten gehen muss, haben wir in der letzten Woche viel Zeit miteinander verbracht. Es irritiert mich, dass er das Bedürfnis verspürt, sich um mich zu kümmern, doch ich genieße es auch. Aufmerksame Männer, davon habe ich bisher nicht viele kennengelernt. Gabriel ist nicht aufdringlich oder anhänglich, aber er ist da und er bemerkt, wenn ich Hilfe brauche. Und
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