Durch den Sommerregen
Hand.
„Sehe ich dich jetzt öfter, Lena?“, fragt sie, während sie ihre Autotür wieder öffnet.
„Mama“, faucht Gabriel in ihre Richtung, doch ich sehe ihr Grinsen. Sie macht sich einen Spaß daraus.
„Vielleicht“, antworte ich schulterzuckend, was gleich dazu führt, dass Gabriel meine Hand in einen Klammergriff packt, aus dem ich mich nicht selbst befreien kann.
Ich schaffe es gerade noch, einen Abschiedsgruß zu rufen, bevor er mich energisch zu seiner Haustür zieht.
„Entschuldige meine Mutter, aber was heißt hier „vielleicht“?“, fragt er und schiebt mich ins Haus.
„Keine Ahnung. Ist das hier etwas Festes? Wir haben einander ja noch nicht mal nackt gesehen. Außerdem wohnst du noch bei deiner Mutter. Ich weiß wirklich nicht, ob ich damit klar komme.“
Verzweifelt schüttelt Gabriel den Kopf und fährt sich durch die dunkelbraunen Locken, die ihm schon fast bis zum Kinn reichen. Er versteht heute scheinbar keinen Spaß.
„Dass meine Mutter hier wohnt, finden die meisten Frauen inakzeptabel. Dass wir einander noch nie nackt gesehen haben, liegt daran, dass wir jedes Mal in voller Montur einschlafen und du immer vor dem Frühstück abhaust, wenn wir bei mir sind.“
Jedes Mal? Immer? Er redet, als würde das schon seit Wochen laufen.
„Warum bist du jetzt so aufgeregt? Ich finde das Verhältnis zu deiner Mutter bewundernswert und nicht merkwürdig. Sie scheint eine tolle Frau zu sein und soweit ich das beurteilen kann, habt ihr beide eine sehr respektvolle Beziehung. Mit meiner Mutter würde ich heute kein Wort mehr reden, wenn wir noch unter einem Dach leben würden.“
Mit einem energischen Fußtritt schließt er die Haustür und zieht mich in seine Arme.
„Was noch die Frage offen lässt, wann ich dich nackt sehen darf.“
„Zuerst wolltest du mir doch deine Tattoos zeigen. Das ist immer noch nicht passiert.“
„Wie gesagt, du flüchtest ja andauernd vor mir oder zwingst mich, angezogen zu schlafen.“
„Ich zwinge dich …“ Sein warmer Mund an meinem Ohrläppchen lässt die Worte auf meinen Lippen ersterben. Meine Knie geben nach, doch er hat mich fest im Griff.
„Ich zeige es dir“, haucht er zwischen sanften Küssen auf meinem Hals. „Aber zuerst wollte ich dir etwas anderes zeigen.“
Für einen Moment denke ich an das, was gerade zwischen uns wächst, da lässt Gabriel auch schon von mir ab und zieht mich an der Hand hinter sich her.
Verwirrt und aufgeheizt schüttele ich mich aus meiner Starre, die mir seine Berührung jedes Mal verschafft.
9.
„Wo gehen wir hin?“, frage ich.
„Wirst du gleich sehen.“ Im Gehen hebt er meine Hand an seine Lippen und drückt einen Kuss auf meinen Handrücken. Er schiebt mich in die Küche und dort durch eine Tür, die zu einem offenen Raum mit einer bodentiefen Fensterfront führt. Bis auf ein paar Stühle und einen großen, rustikalen Holztisch, ist er unmöbliert. Auf dem Tisch liegt eine sehr teuer aussehende Kamera und das entsprechende Zubehör darum verteilt.
Erst auf den zweiten Blick erkenne ich das Zimmer als eine Art Fotoatelier.
„Ich wusste zwar, dass du fotografierst, aber das sieht ja richtig professionell aus“, bemerke ich mit großem Erstaunen.
Er nimmt die Kamera vom Tisch und macht ein paar Bilder von mir. Ich bin nicht eitel genug, um das ständig zu wollen, aber ich habe auch nichts dagegen, wenn er Fotos von mir macht.
Der Raum wird nur vom Mondlicht erhellt, weshalb es mir einen kleinen Schreck einjagt, als Hund plötzlich wie ein Schatten um meine Beine streicht.
„Nächstes Wochenende habe ich Geburtstag“, sagt Gabriel.
„35?“
„Leider, ja. Kommst du? Ich habe eine kleine Grillparty geplant. Sam und Emma werden da sein. Markus und Nadine auch, wenn sie einen Babysitter für die Zwillinge finden.“
Langsam gehe ich auf ihn zu und nehme ihm die Kamera aus der Hand, die ich vorsichtig auf dem Tisch hinter mir ablege.
„Als was würde ich hier sein? Deine Freundin oder eine Freundin?“ Ich habe kein Interesse an diesem Label, trotzdem wäre ich gerne vorbereitet.
„Das liegt bei dir, Helena. Ich bin mit beidem einverstanden. Allerdings muss ich dich warnen. Es wird auch Familie von mir anwesend sein, und bevor du auf die triffst, solltest du auf diese Frage eine Antwort haben.“
Sein Griff an meinen Hinterkopf und der darauffolgende stürmische Kuss überrumpeln mich. Nur wenige Momente später weiß ich, warum er das getan hat. Er unterbricht unsere Verbindung lange
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