Durch den Sommerregen
keuchend kämpfe ich mich an den Beckenrand und ziehe mich an der Leiter hoch. Den Impuls, wie ein kleines Kind bei völliger Erschöpfung loszuschluchzen, kann ich gerade noch unterdrücken.
Jeder Nerv in meinem Körper schreit danach, weiterzumachen, aber der Schwindel in meinem Kopf hält mich davon ab, um nicht im Wasser ohnmächtig zu werden.
Ausgelaugt und müde schleppe ich mich vom Parkplatz zur Haustür, wo ich Gabriel finde.
„Was machst du denn hier?“, frage ich und suche nach meinem Schlüssel.
„Keine Ahnung. Ich dachte, da wäre was zwischen uns und dann verpisst du dich heute Morgen und hast selbst für mich nicht mehr als ein kurzes Winken übrig. Seit zwei Stunden versuche ich dich anzurufen, aber du hast es noch nicht mal nötig, ans Telefon zu gehen. Helena, wenn du das hier nicht willst, dann sag es klar und deutlich und verschwende nicht unser beider Zeit.“
„Ich war im Schwimmbad und hab mein Handy Zuhause vergessen. Es tut mir leid.“ Was soll ich sonst sagen?
„Was tut dir leid? Dass du nicht genug Mumm hast, um mich abzuwimmeln? Dass du mit mir geschlafen hast? Oder grundsätzlich, dass du mich in dein Leben gelassen hast und jetzt nicht mehr weißt, wie du mich auf höflichem Wege loswerden sollst?“
„Du verstehst das falsch. Ich will dich nicht loswerden.“
„Was dann, Helena? Sag mir, was willst du?“
„Dich. Aber ich bin nicht gut in so etwas. Ich bin kein glücklicher Mensch, Gabriel. Das ist nicht mein Naturell. Du bist immer positiv und ich will dich nicht mit in mein Loch ziehen.“
„Welches Loch? Was ist dir passiert? Was ist mit deinem Mann passiert, dass du niemanden an dich ranlässt?“
Er wird immer lauter und ich sehe schon, wie sich die ersten Vorhänge in den Nachbarhäusern bewegen.
„Können wir das nach drinnen verlegen oder müssen wir dieses Theaterstück für die ganze Nachbarschaft aufführen?“
Ich schließe die Haustür auf und bitte ihn mit einem Kopfnicken in die Wohnung.
„Willst du was trinken?“, frage ich, als wir die Tür hinter uns geschlossen haben.
Gabriel greift nach meinem Handgelenk und zwingt mich, stehenzubleiben.
„Ich will, dass du mir etwas sagst, Helena. Willst du das hier? Willst du mich? Wir reden hier nicht von großen Zukunftsversprechen, dafür ist es eindeutig zu früh. Nur grundsätzlich, willst du mit mir zusammen sein? Bist du bereit, dem hier eine Chance zu geben? Ich bin es, aber ich brauche wenigstens die Sicherheit, dass du nicht jeden Moment die Flucht ergreifst.“
Ohne auch nur für eine Sekunde den Blick von mir zu lösen, zieht er mich ins Wohnzimmer und auf die Couch.
„Soll das hier ein Ultimatum werden?“ Meine Wut ist noch nicht verflogen, darum ist es keine gute Idee, dieses Gespräch jetzt zu führen.
„Das hat nichts mit einem Ultimatum zu tun, das hat was mit Fairness zu tun. Die letzte Nacht mit dir, das war unglaublich. Ich dachte wirklich, jetzt wären wir uns ein Stück näher gekommen. Und nicht bloß, weil wir gevögelt haben. Aber heute Morgen bist du mir wieder komplett entglitten. So sehr ich dich mag, das ist anstrengend.“
„Das liegt daran, dass ich anstrengend bin. Ich weiß nicht, wie es anders geht. Bisher hab ich keine Beziehung halten können. Irgendwann kam immer der Punkt, an dem ich einfach nicht mehr wollte.“
„Und deswegen schiebst du jetzt jeden weg, der dir zu nahe kommt? Außerdem dachte ich, dein Mann sei gestorben.“
„Das ist er, ja. Aber das heißt nicht, dass wir eine gute Ehe geführt haben, bevor er ins Gras gebissen hat.“
Zum ersten Mal spreche ich es laut aus, was ich bisher noch nie jemandem erzählt habe. Gabriel scheint unbeeindruckt, trotz meiner harten Formulierung.
„Und? Dann war er halt nicht der Richtige, Helena. Das kommt vor, auch wenn die Begleitumstände sehr unglücklich waren.“
„Oh ja, das waren sie“, sage ich mit einem höhnischen Lachen.
„Was soll das wieder heißen? Kannst du mal in ganzen Sätzen sprechen und mir erklären, was passiert ist?“
Jetzt ist er richtig genervt und setzt sich sogar ein Stück von mir weg, um Abstand zu schaffen. Ich will keine Distanz, nicht zu ihm.
„Du hast mir gestern noch versprochen, dass du mir von deinem Tattoo erzählst und jetzt werde ich angemotzt, weil ich nicht mein gesamtes Seelenleben breittrete.“
Plötzlich springt er auf und zieht mich mit hoch.
„Komm mit. Hier geht das nicht. Wir machen das jetzt ein Mal, aber dann richtig.“
Meine Proteste
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