Durch den Sommerregen
du einen Tee?“, frage ich und streiche ihm die Haare aus der verschwitzten Stirn.
„Neiiinn ... nichtss ...“ Seine Zähne schlagen aufeinander, so sehr zittert er immer noch.
„Eine Wärmflasche? Müssen wir ins Krankenhaus?“ Allmählich mache ich mir große Sorgen. Sein Nacken ist fiebrig heiß und er kann kaum noch die Augen aufhalten.
Schwach schüttelt er den Kopf und zieht sich die Decke noch weiter unters Kinn.
„Soll ich jemanden anrufen? Deine Mutter?“ Etwas Besseres fällt mir auch nicht ein.
„Gar nichts, Helena. Wenn ich gehen soll ...“
„Hör auf damit. Ich will dich nicht loswerden. Sag mir nur, was ich tun kann, damit es dir besser geht.“
„Kannst du zu mir kommen? Unter die Decke?“
Sofort streife ich mir Hose und Schuhe ab und schlüpfe zu ihm unter die Decke. Es gleicht einem Backofen hier drunter.
Gabriel zieht mich in seine Arme und verschränkt unsere Beine miteinander. Das Zittern lässt nach und er stößt einen erleichterten Seufzer aus, als er seinen Kopf an meiner Halsbeuge platziert.
„Sie hat mich geschützt“, erzählt er ohne weitere Aufforderung.
„Du musst jetzt nicht reden. Ruh dich aus, schlaf. Wir können auch an einem anderen Tag darüber sprechen.“
„Nein, jetzt. Ich will es nur einmal sagen müssen. Das ist nichts, was ich immer wieder hochholen möchte.“
„Okay.“
„Sie hat mich rausgeschickt und gesagt, ich soll mich nicht sehen lassen, bis die Polizei weg ist. Ich habe mich auf der anderen Straßenseite in einem Garagenhof versteckt. Zuerst kam der Notarzt und Rettungswagen, nur wenige Minuten später die Polizei. Meine Mutter wurde aus dem Haus gebracht und im selben Moment hat sich ein ganzer Schwarm Raben auf dem Dach meines Elternhauses niedergelassen. Es war eine Szene wie aus einem Horrorfilm. Die Kripo hat sich lange im Haus aufgehalten, noch eine ganze Weile nachdem der Leichnam meines Vaters schon abtransportiert war.“
Er fängt wieder an zu zittern, doch ein Kuss auf seine Schläfe und meine streichelnde Hand auf seinem Rücken helfen.
„Die Raben saßen dort noch bis zum späten Abend. Erst als ich mich wieder rausgetraut und auf den Weg zum Krankenhaus gemacht habe, sind sie weggeflogen. Meine Mutter hat der Polizei begreiflich machen können, dass sie es war, die ihn geschlagen und die Treppe runtergestoßen hat. Man hat ihr die Notwehr abgenommen. Es war auch nicht schwer zu glauben, durch den Zustand, in dem sie sich befand und die schon vorher dokumentierten Polizeieinsätze wegen häuslicher Gewalt. Sie hat alles getan, um mir nicht die Zukunft zu verbauen. Die Polizei hat nie hinterfragt, ob ich zu dem Zeitpunkt Zuhause war. Ich hab es getan, aber sie hat es auf sich genommen.“
Seine Stimme wird immer schläfriger und seine Lider werden schwer.
„Schlaf jetzt“, sage ich und küsse seine Wange.
Ich will mich von ihm lösen, aber er hält mich fest. Es ist später Nachmittag und für mich noch viel zu früh zum Schlafen, doch Gabriel hat es für heute hinter sich.
„Bleib! Bitte! Nur bis ich eingeschlafen bin.“
18.
Tatsächlich nicke ich in seinen Armen ein, als auch er sich endlich entspannt. Doch zwei Stunden später werde ich durch und durch verschwitzt wach, weil es einfach viel zu heiß unter der Decke ist. Im Wohnzimmer klingelt ein Telefon. Erst dachte ich, es wäre ein Traum, aber scheinbar versucht schon seit einer Weile jemand anzurufen. Es muss Gabriels Handy sein, das noch auf dem Wohnzimmertisch liegt.
Vorsichtig entferne ich mich von dem immer noch warmen Mann in meinem Bett, der jedoch völlig friedlich schläft. Er scheint nicht mehr so heiß wie vorhin, doch ich bringe es nicht über mich, seinen Schlaf zu unterbrechen.
Von ihm unbemerkt schleiche ich ins Wohnzimmer und sehe Gabriels Smartphone auf dem Tisch blinken. Die drei Buchstaben „MUM“ flackern wie eine Warnung auf dem Display auf.
Normalerweise würde ich nie an sein Handy gehen, aber ich will auch nicht, dass er geweckt wird. Und wenn Dana es schon öfter versucht hat, ist es vielleicht wichtig.
„Hallo?“, melde ich mich leise.
„Bist du das, Lena?“, höre ich Danas atemlose Stimme.
„Ja. Gabriel schläft. Ich wollte ihn nicht wecken.“
„Er hat es dir gesagt“, stellt sie fest.
Es wäre verlogen, mich jetzt dumm zu stellen, denn für sie scheint es daran keinen Zweifel zu geben.
„Hat er. Anschließend hatte er so etwas wie einen Zusammenbruch.“
„Ist er okay?“, fragt sie panisch, bevor ich
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