Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Durch den Sommerregen

Durch den Sommerregen

Titel: Durch den Sommerregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Hinz
Vom Netzwerk:
nicht wach.“
    „Du musst nicht fragen, Gabriel. Natürlich darfst du bleiben. Aber du solltest vielleicht bei deiner Mutter ein Lebenszeichen hinterlassen. Sie hat auf deinem Telefon angerufen, als du geschlafen hast und war ziemlich besorgt.“
    „Mach ich. Dann geh jetzt schlafen, Helena. Ich räum die Küche auf.“ Er nimmt meine Hand und legt sie auf seine Wange. Mit dem Daumen streichele ich über seinen weichen Bart, den er immer sorgfältig stutzt und pflegt.
    „Kommst du später zu mir, wenn ich mich ins Bett lege? Dann kannst du jetzt noch fernsehen, wenn du magst und musst nicht leise sein.“
    „Nichts könnte mich davon abhalten, mon chouchou.“
    „Verrätst du mir, was es heißt?“
    Nur zögerlich rückt er damit raus.
    „Meine Mutter hat mich früher immer so genannt, als wir in Frankreich gelebt haben und sie auch öfter Französisch mit mir gesprochen hat. Es ist eigentlich ganz banal. Es bedeutet „Mein Liebling“.“
    Banal finde ich es nicht, aber ich will auch nicht zu viel in diesen Kosenamen hineininterpretieren.
    „Ich mag es.“ Auch wenn ich lieber bei ihm bleiben würde, erhebe ich mich vom Tisch und gehe auf ihn zu. Er bleibt sitzen und zieht mich zwischen seine Knie, um mein Shirt hochheben zu können. Ich rechne mit einem Kuss, doch stattdessen beißt er in meine Hüfte.
    „Aua“, quietsche ich, dabei hat es nicht sehr wehgetan.
    „Soll ich doch gleich mitkommen? Dann bekommst du mehr davon.“
    Ich greife in seine Haare und ziehe seinen Kopf nach hinten.
    „Flüsterst du mir dann schmutzige Worte auf Französisch ins Ohr?“
    „Ich flüstere sie nicht nur, ich mache sie mit dir.“
    Grinsend ziehe ich ihn vom Stuhl hoch und hinter mir her. Ich kann ihm einfach nicht widerstehen, so sehr ich es auch sollte.

19.
    Ornithologie. Was für ein trockenes Fachgebiet. Leider werde ich hier nicht schlauer. Natürlich liegt ein Teil der Bedeutung von Gabriels Raben-Tattoo auf der Hand, aufgrund der schaurigen Szene an diesem fürchterlichen Tag, doch ich habe das Gefühl, dass mehr dahintersteckt.
    „Hast du mal bei der Mythologie geschaut? Wir sind in dem Bereich zwar recht mager bestückt, aber vielleicht findest du da eine Antwort.“
    In unserer kurzen Kaffeepause hilft Stefanie mir bei meiner Suche. Ich kann ihr nicht im Detail erklären, warum ich die Info möchte, aber sie stellt in der Regel auch keine unnötigen Fragen.
    „Da war ich noch nicht. Ich schau mal nach. Geh du deinen Kaffee trinken.“
    „Okay. Wenn du nichts findest, können wir morgen noch mal zusammen im Verzeichnis nachschauen. Bevor ich es vergesse, kommst du Samstag mit in den Irish Pub?“
    Einmal im Monat treffen sich all meine Kollegen in irgendeinem, ständig wechselnden Lokal am Alten Markt. Nicht jeder schafft es, bei allen Terminen dabei zu sein, aber alle versuchen es.
    „Samstag hab ich leider keine Zeit.“ Ich würde mich lieber in der Altstadt bis zur Besinnungslosigkeit betrinken, statt mit der Familie meines verstorbenen Mannes seinen Tod zu „betrauern“.

    Raben sind extrem intelligent, treu und gelten außerdem als Todesboten. Tiefer in die Mythologie einzutauchen, würde mich vollends verwirren, denn es gibt da zahlreiche Definitionsmöglichkeiten. Doch was ich gefunden habe, macht mich traurig. Betrachtet Gabriel sich selbst als eine Art Todesbote? Das Einzige was ich in ihm sehen kann, ist sein großer Familiensinn, den man den Raben auch zuschreibt.
    Er steht mit dem Rücken zum Schaufenster und sieht mich nicht, als ich nach Feierabend aus dem Auto aussteige. Das gibt mir die Möglichkeit, ihn ungestört zu beobachten. Gerade macht er mit Hilfe von Sam Fotos von einem Rückenmotiv und einem vollständig tätowierten Unterarm bei einer jungen Frau.
    Mein Beobachtungsposten bleibt leider nicht lange unentdeckt. Markus sieht mich und winkt mich herüber. Bisher habe ich vermieden, Gabriel im Shop zu besuchen, denn ich finde es einfach nicht angebracht, ihn bei der Arbeit zu stören.
    Ich nehme meine Tasche vom Beifahrersitz und schließe das Auto ab, bevor ich auf die andere Straßenseite gehe.
    Markus hält mir die Tür auf.
    „Hey, Lena. Emma ist hinten in Sams Raum und arbeitet. Sie hat schon auf dich gewartet. Irgendwas wollte sie mit dir besprechen.“
    „Okay.“ Ich schaue an ihm vorbei und sehe Emma durch die halb geöffnete Tür über ihrem Laptop sitzen. „Kann ich einfach durchgehen?“ frage ich.
    „Natürlich.“ Er will mich gerade vorbeilassen, als mich eine

Weitere Kostenlose Bücher