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Durch den Wind

Titel: Durch den Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Reich
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wissen, wer das Paket geschickt hat.
    »Er sah aus wie ein König«, sagte nun die eine, die am weitesten weg saß und bisher noch gar nichts gesagt hatte, »er war groß, braun, hatte blaue Augen und sah aus wie ein König, wie ein wahrhaftiger König.«
     
    Victor.
     
    Victor hatte das grüne Oberteil gekauft, Victor hatte sie in der Lobby gesehen und war dann aus welchen Gründen auch immer ohne sie nach Berlin zurückgeflogen. Warum nur?
    »Danke«, sagte sie zu den drei Japanerinnen, »Sie haben mir sehr geholfen.«
    Der Barkeeper kam aus seiner Ecke hervor, und erst jetzt sah sie, dass er ein blaues Auge hatte, das ihr gestern noch nicht aufgefallen war. Er blieb bei den jungen Frauen stehen, und alle schauten nun in Alisons Richtung.
    Sie machte eine ruckartige Bewegung, und die ganze Gruppe zuckte zusammen. Sie legte Geld auf den Tresen, kippte den Sake herunter und wollte gerade die Bar verlassen, als Yoshihiro hinter ihr auftauchte und sie in den Arm nahm. Er küsste ihr die nackte linke Schulter und sagte: »Spielen Sie gerade Japaner erschrecken? Das spiele ich auch sehr gerne, vor allem wenn es sich um einen angeschossenen Barkeeper und drei Hühner handelt. Sollen wir ausgehen und es weiterspielen?«
    Alison lachte und ging Arm in Arm mit Yoshihiro aus der Bar.
    »Haben Sie Ihr Rätsel gelöst?« fragte er dann.
    »Welches Rätsel?« fragte Alison.
    »Das müssen Sie mir sagen«, antwortete er.
    »Wenn ich das könnte«, sagte sie, »dann wäre es keins.«
    Yoshihiro schwieg, dann sagte er: »Lassen Sie uns U-Bahn fahren.«

 
    Felix stand auf der Brücke des Aquariums über dem Bassin mit den Krokodilen. Die Krokodile regten sich nicht, hatten die uralte Reglosigkeit der Reptilien an sich, das dicke Fell, das keine Fliege kitzelte. Felix hatte sich auf das Geländer gelehnt und wartete nun schon fast eine halbe Stunde ebenso regungslos, aber es tat sich nichts.
    Sie waren schon seit einer knappen Stunde im Aquarium, hatten schon die leuchtenden Quallen und die Zitteraale bewundert und vor dem hin und her schwimmenden Hai gewartet, ob er seinen Kiefer ausklappte, aber er tat es nicht, schien keine Lust zu haben auf sein Kieferkunststückchen und schwamm nur hin und her und schaute böse und war auch so monströs genug.
     
    Felix hatte ihr noch nicht einmal in die Augen geschaut, seitdem sie ihn abgeholt hatte, einmal, ganz am Anfang, hatte sein Blick den ihren kurz gestreift, aber nur, um ihn dann schnell wieder zurückzuziehen. Seitdem hielt er ihn an kurzen Zügeln, damit er nicht ohne seinen Willen zu ihr hinübersprang. Er wusste also etwas, er hatte die Geschichte mit dem Blinddarm natürlich nicht geglaubt, alles sprach gegen Blinddarm, Blinddarm klang schon so, als könne es nicht sein, und Felix war der Seismograph der Familie. Er schien noch Zeit zu brauchen, und sie war dafür sehr dankbar – auch wenn es weh tat, weil sie dann auch etwas Zeit bekam, sich auf den ersten Blick vorzubereiten, der sie treffen und ihr seine ganze Trauer und Wut präsentieren würde.
    »Anna hat mir erzählt, dass ihr zusammen hier wart?« fragte sie nun.
    »Anna?« fragte er.
    »Unsere Nachbarin von oben«, sagte Siri.
    »Ach so, ja.«
    »Und wie war’s?« fragte Siri.
    »Gut«, er machte ein Pause, »aber auch nicht so gut. Sie weiß nicht, was hier ist.«
    Sie blieb stehen: »Wie meinst du das?«
    »Sie weiß nicht, warum wir hier so gerne sind, du und ich.« Sein Blick zitterte jetzt ein wenig in ihre Richtung, so als zöge er an den Zügeln, die ihn zurückhalten wollten.
    Sie schluckte: »Warum sind wir denn hier so gerne?«
    »Weil hier das ganze Gift ist«, sagte er und schaute auf den Punkt zwischen ihren Augen, dort, wo der Steg einer Brille sitzen würde.
    »Und ...«, fragte sie.
    »Und ich dann immer weiß, wo es wohnt«, antwortete er.
    Sie kniete sich nieder und nahm ihn in den Arm.
    »Dann müssen wir zu Hause keine Angst haben, stimmt’s? Weil das Gift hier wohnt«, sagte Felix und schaute ihr nun in die Augen.
    Sie hielt kurz den Blick, dann drückte sie ihn an sich, so lange wie er es sich gefallen ließ, und flüsterte dabei: »Das stimmt. Dann müssen wir zu Hause keine Angst haben.«
    Er drückte sie auch einmal und löste sich dann.
    Sie versuchte ihre Tränen herunterzuschlucken, nahm ihn an die Hand und ging zu den Terrarien mit den Giftfröschen.
    »Genau deswegen mag ich es hier so gerne«, sagte sie noch einmal und ließ ihre Hand auf seiner kleinen Schulter ruhen: »Es ist gut

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