Durch die Hölle in den Himmel (German Edition)
allerdings unumgänglich, sie mit Drogen in den erforderlichen Gemütszustand zu bringen, in dem sie bereit war, ihm überhaupt zuzuhören.
„Welch ein gottverdammter, widerlicher Teufelskreis. Und trotzdem werden wir es schaffen, uns davon freizumachen. Wir müssen und werden es schaffen,“ zum hundertsten Male versuchte er, mit denselben Worten, sich selbst vom Erfolg zu überzeugen.
Je näher er seiner Wohnung kam, umso mehr drohten seine Nerven zu versagen. Wie gewohnt breitete sich wenige Meter vor dem Hauseingang, das vertraute flaue Gefühl im Magen aus und seine Knie drohten nachzugeben.
„In welchem Zustand finde ich sie heute vor? Ist sie wieder so aggressiv, wie gestern? Oder bleibt es heute beim Weinen? Vielleicht ist sie aber auch nur wieder völlig teilnahmslos? Ich weiß nicht einmal, welche ihrer Gemütsverfassungen mich am wenigsten ängstigt.“
Er war wild entschlossen ihr zu helfen, so oder so. Schon um seiner selbst willen, denn ohne Nadine würde er sein Leben nicht mehr ertragen.
Im Treppenhaus kamen ihm zwei Frauen mittleren Alters entgegen. Sie wohnten beide, schon bevor er hier eingezogen war, im Stockwerk über ihm. Als er noch allein wohnte, hatte er zu beiden ein ganz normales Verhältnis gehabt, wie es zwischen Nachbarn eben üblich ist. Jetzt gingen sie jedoch grußlos an ihm vorbei und sahen durch ihn hindurch, wie es inzwischen auch alle anderen Nachbarn machten. Schon wenige Tage, nachdem Nadine bei ihm eingezogen war, hielten sie sich plötzlich von ihm fern und kaum jemand redete noch mit ihm.
„Ist auch egal“, dachte er, „Nadine ist mir wichtiger, als die Nachbarn; was sollte ich schon groß mit den Leuten reden?“
Mühsam quälte er sich die Stufen zu seiner Wohnungstür hinauf.
Beinahe ängstlich führte Robert den Schlüssel ins Schloss, und drehte ihn so leise wie möglich um. Dann öffnete er vorsichtig die Tür.
Kapitel 10
Früher konnte er die Tür jederzeit ohne Bedenken öffnen, selbst wenn er überraschend Besuch bekam. Es war immer sauber und ordentlich bei ihm. Seit Nadine wieder der Sucht verfallen war, war es vorbei damit. Die Wohnung roch moderig und erweckte den Eindruck, als hätte schon seit Wochen niemand mehr das geringste Interesse gezeigt, auch nur das Nötigste für Ordnung zu tun.
Aber vor überraschendem Besuch musste er ja nun auch keine Angst mehr haben. Es kam sowieso niemand – schon gar nicht jemand, auf den er Wert gelegt hätte – außer Nadine natürlich, und sie war ja für die Unordnung verantwortlich.
Mittlerweile war es in der Wohnung finster wie in der Nacht. Die Fenster waren verschlossen und die Vorhänge zugezogen, sodass auch die Dämmerung keinen Zugang mehr fand.
Vielleicht schläft sie ja, dachte Robert. Das hoffte er zumindest.
Er stolperte über einen ihrer achtlos hingeworfenen Schuhe, konnte den Sturz aber, mit einem schnellen Griff an den Türrahmen, gerade noch verhindern.
Wie versteinert stand er im Flur und lauschte in die Dunkelheit.
„Hoffentlich habe ich sie nicht aufgeweckt“, dachte Robert und ging leise ins Wohnzimmer, wo sie gelegentlich auf dem Sofa eingeschlafen war, wenn sie vor dem Fernseher zu lange auf ihn gewartet hatte.
Der Fernseher lief entgegen seiner Erwartung nicht.
Er schaltete die kleine Wandlampe ein und stellte überrascht fest, dass Nadine nicht wie sonst auf dem Sofa lag. Dass sie jetzt schon im Schlafzimmer sein sollte, beunruhigte ihn ein wenig. Aber mehr Möglichkeiten gab es in seiner kleinen Wohnung nicht.
Außer vielleicht noch im Badezimmer.
Auch dort war es dunkel, wie er im Vorbeigehen durch die offenstehende Tür sehen konnte.
Vorsichtig, um unnötigen Lärm zu vermeiden, ging er also ins Schlafzimmer. Seine Augen hatten sich inzwischen ganz gut an das Dämmerlicht gewöhnt, insofern war kein Licht mehr nötig, um zu sehen, dass sie auch nicht im Bett lag.
Mit der entsetzlichen Vorstellung, sie könnte sich etwas angetan haben, sah er dann doch noch im Badezimmer nach. Er zögerte, mit dem Bild einer nackten Nadine im blutgetränkten Wasser vor Augen, das Licht einzuschalten; gab sich dann, mit zusammen gekniffenen Augen einen Ruck und betätigte den Schalter.
Nichts!
„Gott sei Dank, sie hat sich nicht die Pulsadern auf geschnitten.“
Doch dann überfiel ihn der nächste Schreck, als er bestürzt begreifen musste, dass Nadine nicht in der Wohnung war.
„Sie ist nicht hier“, dachte Robert nur.
Er war wie gelähmt, konnte nichts weiter
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