Durch die Hölle in den Himmel (German Edition)
vorübergehend von dieser Aufgabe entbindet. Nur bis ein wenig Gras über die Sache gewachsen ist.
Von einem innigen Kontakt zu seinen Nachbarn hatte Henry ja noch nirgends viel gehalten, aber der Auftakt in diesem Haus war geradezu gruselig.
Er klingelte mit dem verabredeten Zeichen, zweimal kurz, und wartete.
„Nun mach schon die Tür auf Andrea. Ich will hier nicht so lange auf dem Präsentierteller stehen“ grummelte er vor sich hin.
Und noch einmal, zweimal kurz.
„Sie wird doch nicht gerade jetzt da sitzen, wo ich unbedingt hin muss. Verdammt, Andrea, nun mach schon die Tür auf“.
Aber Andrea dachte gar nicht daran Henry zu erhören. Denn sie hatte etwas Besseres zu tun, als nur auf ihren Mann zu warten.
Da stand er nun mit seinem Talent und einer, bis zum platzen, mit Kaffee gefüllten Blase.
Das fehlte ihm gerade noch.
Nach dem Theater mit der vermummten Anne heute Morgen, konnte er unmöglich hier und jetzt seinen Piephahn in der Öffentlichkeit blank ziehen und am hellen Tage an einen Baum pinkeln. Praktisch vor den Augen der von ihm so innig geliebten, Schleier tragenden Moralapostel. Die würden wahrscheinlich sofort einen Angriff auf ihre kleinen, nach Anne schreienden Kinder, dahinter vermuten.
Um sich dem Ärger nicht auszusetzen, wollte er versuchen durch ein Fenster in ihre Wohnung zu klettern. Da sie die Fenster aber zur Straße hin, allesamt verschlossen hatten, musste er es notgedrungen auf der Rückseite über den Hinterhof versuchen.
Er ging also durch den Torweg der zum Hof führte. Ein vorsichtiger Blick um die Ecke, zeigte ihm, dass sich dort niemand befand der ihm gefährlich werden konnte. Ein kleines Mädchen in der Sandkiste war zu sehr in sein Spiel vertieft, als dass es ihn bemerken würde.
Seine Befürchtung, dass Andrea auch auf dieser Seite die Fenster verschlossen hatte, bestätigte sich glücklicherweise nicht.
Obwohl sie im Erdgeschoss wohnten, war es für Henry dennoch zu hoch, um problemlos mal so eben durchs Fenster einzusteigen. Zudem bestand Andrea darauf, dass die Fenster in Kippstellung eingerastet waren, wenn sie die Wohnung verließen. Was wiederum bedeutete, dass er auf den Fenstersims steigen musste, um durch den Spalt das Fenster zu entriegeln.
Nur wenige Meter entfernt entdeckte er zu seiner Freude, dass die Türken von ihrem letzten Fest einen Tisch, Stühle und den obligatorischen Holzkohlegrill hatten stehen lassen. Das Einzige was ihn von all dem Zeug interessierte, war ein Stuhl mit dessen Hilfe er auf den Fenstersims klettern konnte. Doch selbst mit dieser fast komfortabel zu nennenden Unterstützung war das Vorhaben für einen schlaffen, vom Leben hart gezeichneten alten Sack - wie Henry sich selbstironisch bezeichnete - verdammt schwierig und zeitraubend.
Um einen unsanften Absturz zu vermeiden, hangelte er sich vorsichtig, am Fensterrahmen nach Halt suchend, nach oben.
Nachdem er mit beiden Füßen verhältnismäßig sicher auf dem Fenstersims stand, hielt er sich mit einer Hand fest und zwängte die andere durch die Öffnung um den Riegel zu lösen. Es gelang ihm, zur eigenen Verwunderung, reibungslos und erstaunlich schnell.
Jetzt musste er das Fenster nur noch behutsam öffnen, um die Pflanzen nicht von der Fensterbank zu stoßen.
Doch plötzlich versetzte der langgezogene Anne-Schrei des kleinen, bis dahin in sein Spiel vertieften Mädchens, ihm einen derartigen Schreck, dass Henry die Blumentöpfe von der Fensterbank auf den Fußboden stieß. Dort gingen sie vor dem Küchentisch zu Bruch und bildeten für seine Bauchlandung, eine äußerst schmerzhafte Unterlage.
Kapitel 20
Unruhig wälzte er sich von einer Seite auf die andere. Seine Gedanken geißelten ihn unentwegt. Sie jagten von einer Furcht zur anderen. Immer wieder begannen sie mit der Angst, von Nadine verlassen zu werden, um ihn dann mit seinem Vorhaben zu peinigen, seine Kollegen zu beklauen. Denn nichts anderes wäre es, wenn er sich das fehlende Geld für die Drogen, aus der Firmenkasse nehmen würde. Bevor er jedoch zur Vernunft kommen konnte, übermannte ihn schon wieder die Angst, er könnte Nadine verlieren.
„Erwischen können sie mich nicht, dafür ist es wirklich zu unproblematisch. Aber wenn ich wieder zur Arbeit gehe, sehe ich schwarz. Die Kollegen werden in meiner Gegenwart über den Diebstahl reden, Verdächtigungen äußern und über Täter mutmaßen. Wie kann ich mich an den Gesprächen beteiligen, ohne Verdacht zu erregen? Wird mir
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