Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort
haltet ja nicht so lange .«
»Also sprechen wir über das, was in uns drin steckt. Aber nur unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Daß du versprichst, danach viele wunderbare Dinge über den Himmel zu erzählen.«
»Engel halten ihre Abmachungen.«
»Sonst würde ich auch den Glauben an alles verlieren.«
»Du kannst mir vielleicht etwas erklären, worüber wir im Himmel immer wieder diskutieren und worüber wir sehr unterschiedlicher Meinung sind. Es ist ein etwas peinliches Thema, aber ...«
»Also los, frag schon!«
Er holte Luft.
»Könnt ihr spüren, daß das Blut durch eure Adern fließt?«
»Nur, wenn wir bluten, oder wenn uns beim Arzt Blut abgenommen wird. Aber dann quillt das Blut ja heraus ...«
»Und was ist das für ein Gefühl?« »Manchmal kitzelt es einfach nur, manchmal brennt es auch nachher.«
»Aber ihr spürt doch sicher das Fleisch und das Blut in euch.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich glaube, wir sind so eingerichtet, daß wir das, was unter unserer Haut steckt, nicht spüren müssen. Die Haut sorgt dafür, daß wir andere fühlen können, aber zum Glück bleibt es uns erspart, uns selbst zu fühlen.«
»Aber etwas müßt ihr doch spüren!«
Sie dachte kurz nach, dann schüttelte sie den Kopf.
»Überhaupt nichts, solange wir gesund sind. Nur, wenn etwas weh tut .«
»Wenn etwas wehtut?«
»Wenn es sticht ... oder hämmert ... oder brennt.«
Er breitete resigniert die Arme aus.
»>Sticht oder hämmert oder brennt ...<«
Cecilie fragte:
»Hast du noch nie versucht, dich in den Arm zu kneifen?«
»Nein, nie.«
»Das solltest du mal versuchen, sonst weißt du ja gar nicht, ob du wach bist!«
Ariel versuchte, sich in den Arm zu kneifen, aber Cecilie sah, daß er seine Haut nicht zu packen bekam. Er schüttelte den Kopf.
»Engel können sich nicht in den Arm kneifen«, gab er zu. »Wir spüren nichts.«
Sie fuhr zusammen.
»Dann kannst du ja gar nicht wissen, ob du wirklich bist!«
Für eine Sekunde - oder vielleicht für einen noch kürzeren Moment - schien Ariel verschwunden zu sein. Vielleicht hatte aber auch nur Cecilie mit den Augen gezwinkert.
Als er wieder da war, sagte er:
»Jetzt müssen wir dich schnell in dein Bett zurückschaffen.«
»Warum?«
»Sieben Uhr. In wenigen Sekunden klingelt der Wecker. Jetzt .«
C ecilie erwachte, und sie fühlte sich wie gerädert. Draußen war es so hell und klar, wie nur ein Weihnachtstag sein kann.
Sie hatte bloß eine vage Erinnerung an ihre nächtlichen Ausschweifungen. Ariel hatte sie ins Wohnzimmer hinuntergetragen. Und als der Wecker im Schlafzimmer ihrer Eltern klingelte, hatte er sie wieder nach oben gebracht.
»Ariel!« flüsterte sie.
Doch sie bekam keine Antwort. Vielleicht kam er ja nur nachts .
Sie griff zur Glocke auf dem Nachttisch und klingelte. Ihre Mutter kam so schnell, wie Ariel die Lichter am Weihnachtsbaum eingeschaltet hatte. Auch sie kam Cecilie fast vor wie ein Geist aus der Lampe.
»Jetzt bist du also endlich wach!«
Cecilies Mutter kniete vor dem Bett.
»Es ist fast eins. Hast du die ganze Zeit geschlafen?«
Cecilie schüttelte den Kopf.
»Und was hast du gemacht?«
»Ich habe einfach nur zugehört. In einem Haus gibt es auch nachts Geräusche, wenn man bloß genügend die Ohren spitzt. Manchmal kann ich hören, wie es draußen schneit.«
»Und was hast du gesehen?«
»Es kommt so ein schönes Licht durchs Fenster ...«
»Du hättest doch einfach klingeln können.«
»Ich habe über alles mögliche nachgedacht.«
»Hattest du denn Schmerzen?«
»Nein ... jetzt vielleicht ein bißchen.«
»Und wie fühlen sie sich an?«
»Fängst du auch schon damit an?«
»Womit?«
»Ach, nichts. Ich bin schrecklich schlapp ...«
»Als ich gegen sieben bei dir reingeschaut hab, schliefst du jedenfalls wie ein Stein.«
»Steine schlafen nicht, Mama.«
»Und du hast im Schlaf gelächelt.«
»Steine können auch nicht lächeln ... und außerdem, als du hier warst, war ich gerade erst eingeschlafen.«
»Glaubst du wirklich?«
»Ich habe den Wecker klingeln hören.«
Cecilies Mutter legte ihr eine Hand auf die Stirn. »Kristine ist da. Sie sitzt gerade unten im Wohnzimmer und probiert Lasses Marzipan.«
»Wohl bekomm’s.«
»Wie meinst du das?«
»Ich habe keine Lust auf Marzipan. Bist du denn plötzlich total senil geworden?«
»Ich hoffe nicht.«
»Schick sie doch einfach hoch. Ich habe keine Angst mehr vor Spritzen.«
»Erst müssen wir wohl mal kurz ins
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