Durch Himmel und Hoelle
vorhersagen, wie weitreichend die Folgen des Todes seines Vaters sein würden. Er wurde in einem Duell kurz vor der Geburt seines zweiten Sohnes getötet - ermordet von einem Gegner, der zu früh geschossen hatte. Alex hatte seinen Vater als ei- nen Mann der Tat im Gedächtnis, der Feste, Glücksspiele und noch
mehr die Jagd liebte. Er genoß das Leben, aber für Geschäfte hatte er kein Talent. Er hatte seinen Besitz sich selbst überlassen und sich um nichts gekümmert. Westerley jedoch wurde immer in Ordnung gehalten, was teilweise das Verdienst seiner Mutter war. Es war im- mer noch ein großartiges Herrschaftshaus.
Aber Lady Trevegne hatte es nicht mehr genießen können - sie lebte auch nicht lange genug, um ihren Zweitgeborenen zu sehen. Eine Geburt und ein Tod - die Natur hatte einen Ausgleich geschaf- fen.
Alex war untröstlich darüber, daß Peter seine Mutter nie gekannt hatte. Es würde nie wieder eine Frau wie sie geben. Sie war die ein- zige Frau, der er je vertraut hatte. Er erinnerte sich an ihre hellen blauen Augen - Peters Augen -, immer lachend und scherzend, wenn sie ihm erlaubte, ihre goldenen Locken zu zerzausen, und wenn sie ihn beim Zu-Bett-Bringen, fest an sich drückte. Sie machte jeden Tag zu einem Feiertag, jeden Abend vor dem großen Kamin zu einem Ausflug ins Märchenland voll mit Elfen und Feen, blut- rünstigen Piraten und tapferen Rittern - sie erfüllte seine Welt mit Liebe und Geborgenheit, die für immer durch ihren Tod verloren- gegangen waren. Alex fühlte sich dadurch betrogen, aber er hatte wenigstens seine Erinnerungen. Peter hingegen hatte nichts.
Mit der Zeit gewöhnte sich Alex an seinen Lebensstil und akzep- tierte ihn. Er fuhr selten nach London und dann nur, wenn er dort geschäftliche Angelegenheiten erledigen mußte. Als er älter wurde, vermißte er die Nähe von Freunden und die Vergnügungen, die London einem jungen Mann bieten konnte. Aber nach einer gewis- sen Zeit wurde er schneller erwachsen als seine Freunde, die ein un- beschwertes leichtsinniges Leben in London führten. Sein gesundes Landleben machte ihn zu einem vitalen Mann, mit kräftigen, sehni- gen, braunen Händen, er hatte keine lilienweißen Hände wie die Stadtgecken. Sogar als er, nach Jahren des Exils, nach London zu- rückkehrte, konnte er nie völlig seinen anderen Lebensstil verges-
sen. Seine Muskeln blieben fest und eisenhart, und er war großen Anstrengungen gewachsen und ausdauernd - er boxte und focht, ritt, und es war ihm unmöglich, Erschöpfung nach einem leichten Trab vorzutäuschen, wie es viele seiner Altersgenossen gern taten.
Er wurde Mitglied der Corinther und des Four-in-Hand Club, wegen seiner unerreichbaren Meisterschaft mit den Zügeln. Er wurde zu vielen Abendgesellschaften, Parties und Wochenendaus- flügen eingeladen, aber seine zynische Art drängte sich immer mehr in den Vordergrund, je länger er an dem gesellschaftlichen Londo- ner Leben teilnahm. Im Lauf der Jahre hefteten sich Gerüchte an seine gutaussehende stolze Erscheinung. Als er sich immer weiter in seinen Zynismus zurückzog, während er der Welt eine undurch- schaubare Miene präsentierte, wurden die Geschichten, die sich um ihn rankten, immer zahlreicher. Er war eine unbekannte Größe. Seine wilden Eskapaden - manche wahr, manche erfunden - verhal- fen ihm in London zu gewisser Berühmtheit. Das, verbunden mit einer gewissen geheimnisvollen Aura, die ihn umgab, regte die Phantasie der Leute an. Nichts ist so faszinierend wie ein Geheimnis - ein Rätsel. Und der Marquis de Fleur war eins. Sein Glück im Spiel war geradezu unheimlich. Nie schien er zu verlieren, weder im Spiel noch bei den Damen.
Wenn er ganz in seine Lieblingsfarbe Schwarz gekleidet ein Zim- mer betrat, konnte er, mit einem einzigen Blick aus seinen goldenen Augen, die Damenherzen höher schlagen lassen. Er war gleichgül- tig, arrogant und manchmal sogar zu den schönsten Frauen unhöf- lich und beleidigend, aber das trug nur zu seinem Image als Teufels- kerl bei. Und der Gedanke an seine Güter, sein Geld und die be- rühmten Juwelen der Trevegne machten ihn nur noch begehrter.
»Es macht dir nichts aus, wenn ich eine Zeitlang in London bleibe?« erkundigte sich Peter hoffnungsvoll.
»Nein, du kannst bleiben, solange du willst, aber versuch aus- nahmsweise, dich ein bißchen besser zu benehmen.«
»Mach dir keine Sorgen. Ich mache nichts, was du nicht selbst auch tun würdest«, versprach Peter voreilig mit einem Augenzwin-
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