Durch Himmel und Hoelle
nur mit dir dar- über, um ein für allemal den Spekulationen ein Ende zu bereiten, mit denen, wie es scheint, ganz London befaßt ist. Es ist nicht meine Art, meine persönlichen Angelegenheiten zu diskutieren - nicht einmal mit dir. Aber es sieht so aus, als würde meinem Privatleben in jedem Wohnzimmer und jedem Wirtshaus übertriebenes Inter- esse entgegengebracht. Ich möchte, daß wenigstens du genau weißt, was vorgefallen ist, ehe du unbeabsichtigt, wenn du betrunken bist, mit deiner Phantasie noch zu dem Klatsch beiträgst.«
»Aber Alex, ich bin doch kein Klatschmaul und erzähle auch keine Geschichten über meinen eigenen Bruder!« rief Peter belei- digt aus und fügte hinzu: »Und ich kann so viel vertragen wie jeder andere Mann. Das Blut der Trevegnes ist sowieso dicker als Wein.«
»Bitte verzeih mir.« Alex verbeugte sich leicht. »Ich weiß, du würdest mit Absicht nichts sagen, was mir schaden könnte - aber du kannst im Zorn dazu gereizt werden.«
Peter leerte mit einer lockeren Handbewegung die letzten Trop- fen seines Brandys, dann lachte er plötzlich. »Verdammt will ich sein, wenn ich mich wegen der Herzdame eines anderen duelliere. Sie mag eine Schönheit sein, aber ich fand sie immer ziemlich einge- bildet. Sie grüßt mich nicht einmal, und Spaß versteht sie überhaupt nicht. Ich werde auch nicht jeden Mann auf der Straße wegen einer gehässigen Unterhaltung bei einer Teegesellschaft herausfordern! Da muß schon was Wichtigeres vorfallen, oder?«
Alex warf den Kopf zurück und lachte. Er stimmte damit in Pe- ters Gelächter ein. Beide Männer standen da, hochgewachsen und stolz. Ihr gemeinsames Gelächter milderte ihre strengen aristokrati- schen Gesichtszüge mit den Adlernasen und den arrogant vorge- schobenen Kinnladen, die eine große Familienähnlichkeit zeigten. Die fünfzehn Jahre Altersunterschied verschwanden, als sie zusam- men mit jungenhafter Ausgelassenheit lachten.
Alex blickte liebevoll auf die schlanke Figur seines Bruders und spürte das Gewicht der Verantwortung, die auf seinen Schultern ruhte — breite Schultern, die gewöhnt waren, Verantwortung zu tra- gen. Während er Peter betrachtete, fragte er sich, ob er je so jung und sorglos gewesen war - ohne die geringste Ahnung, wie einsam das Leben wirklich war? Es schien ihm eine Ewigkeit her zu sein, seit er die Wärme selbstloser Liebe gespürt hatte, die wie ein Feuer in einer kalten Nacht bis in die tiefsten Tiefen seines Körpers drang. Er hatte in den vergangenen Jahren die Liebe genossen, aber das war nicht diese Art Liebe. Es war eine unbefriedigende Liebe, die ver- brauchte und auffraß und nur Reue hinterließ. Aber er erwartete nichts anderes mehr. Die andere Art Liebe war etwas, das für ihn nicht mehr existierte.
Er wurde mit fünfzehn Oberhaupt der Familie und war ein sehr
junger, unerfahrener Erbe der ungeheuren Besitztümer der Treve- gnes gewesen. Lord Denet wurde sein Vormund und sein guter Freund, während er ihm half, die schwere Verantwortung zu tra- gen. Mit der Hilfe vertrauenswürdiger Gutsverwalter und Rechts- anwälte hatte er gelernt, Westerley zu führen, und entwickelte sich zu einem sehr fähigen Gutsherrn.
Aber es war kein leichter Sieg, und der Weg war mit vielen Schlachten gepflastert. Ein junger, unerfahrener Marquis versprach unehrlichen Verwaltern, die nichts im Sinn hatten, als in die eigene Taschen zu wirtschaften, leichtes Spiel. Und auch die angeblich en- gen Freunde seines Vaters, denen der Verstorbene Geld schuldete, wie sie sagten - natürlich nicht schriftlich fixiert, sondern nur per Handschlag, meldeten ihre Ansprüche an. Und da gab's auch noch die freundlichen Ratschläge von den Freunden seines Vaters, die Töchter hatten und hochverschuldete Besitzungen. Sie sprachen von geheimen Heiratsabkommen, die Vorjahren getroffen worden waren - das Vermögen des jungen Marquis machte ihn zu einem be- gehrenswerten Schwiegersohn.
Aber Lord Denet ließ sich nicht täuschen, und bewaffnet mit ei- nem Stab von Advokaten schaffte er es, die Aasgeier so lange hinzu- halten, bis der neue Marquis auf eigenen Füßen stand.
So wurde der junge Marquis erwachsen und dabei eisenhart. Daß er nie Gelegenheit hatte, sorglos jung zu sein - schon bevor er zwan- zig war, machten sich Sorgenfalten in seinem Gesicht bemerkbar -, schien ihm nichts auszumachen. Er holte alles in den Jahren in Lon- don und auf dem Kontinent nach, was er als junger Mensch ver- säumt hatte.
Kein Mensch konnte
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