Durch Himmel und Hoelle
die Aas riechen, über sie herfielen.
Ihr Vater, Charles Demarice - ahnungslos, welches Schicksal ihn erwartete -, hatte kein Testament hinterlassen. Nach seinem Tod gab es kein Einkommen mehr - Spielgewinne, von denen sie von der Hand in den Mund ihr Leben gefristet hatten. Diese, zusammen mit dem Erbe, das ihrem Vater von seiner Großmutter hinterlassen worden war, hatten ihnen ermöglicht, anständig, wenn auch nicht luxuriös zu leben. Aber nun entdeckte Elysia zu ihrem Entsetzen, daß alles, was von dem Erbe noch übrig war, aus Schulden bestand.
Ihr Haus, mit allen Möbeln und auch die Pferde mußten verkauft werden. Es würde sehr schwer sein, Rose Arbor, das Herrschafts- haus, das ihr seit ihrer Geburt vertraut war, zu verlassen, und der Gedanke, sich von ihrem Lieblingspferd, dem Hengst Ariel zu tren- nen, war unerträglich.
Sie und ihr Bruder Ian hatten sehr früh gelernt mit Pferden umzu-
gehen, und Elysia war eine hervorragende Reiterin, der nur wenige Männer ebenbürtig waren. Ihr Vater und Gentle Jims, der Reit- knecht der Familie, der Pferde kannte wie kein anderer und dessen Hand am Zügel leicht war wie die eines Babys, hatten es ihr beige- bracht. Reiten war Elysias ein und alles - ihr Lebensodem, und sie ritt wie ein wilder, freier Moorgeist. Ariel war ein reinrassiger Ara- berhengst, geschmeidig und weiß, seine schlanken Beine berührten kaum den Boden, wenn er mit der übermütigen Elysia auf dem Rücken durch die nebeligen Morgen sprengte.
Elysia wußte, daß sie mit ihren Eskapaden den Dörflern viel Un- terhaltungsstoff bot. Sie hatte von dem Klatsch über sich erfahren, aber die Gerüchte berührten sie nicht; eigentlich hatte es sie amü- siert, wenn sie hörte, was besonders die selbsternannte Dorfälteste, die Witwe McPherson, über sie redete.
»Es ist nicht normal, wie sie dieses Pferd reitet. Ihr werdet es mir nicht glauben, wenn ich euch sage, daß sie mit dieser Kreatur spricht, jawohl, bei allem, was mir heilig ist- der Hengst versteht sie sogar!« schrie sie herum. »Ich sehe dunkle Wolken am Horizont. Sie ist eine Heidin, sag' ich euch.« Aber Elysia hatte nur gelacht, wenn sie von den Ausbrüchen der Witwe hörte, die sie vor einem begeisterten Publikum lieferte.
Die Witwe McPherson hatte die Dörfler während der Jahre, in denen die Demarices in dem Herrschaftshaus in der Nähe des Ortes wohnten, mit vielen unheilträchtigen Weissagungen gewarnt. Die Dorfbewohner begannen, an ihre Vorhersagungen zu glauben, als Elysias Bruder, ein Offizier in der britischen Marine, nur einen Tag nach dem tragischen Tod seiner Eltern auf See umkam. Die Dörfler kauerten hinter verschlossenen Türen, als Elysia, nachdem sie die Hiobsbotschaft erfahren hatte, um Mitternacht wie eine Besessene mit wehendem langen Haar auf Ariel, einem weißen Blitz in der Dunkelheit, durchs Dorf galoppierte.
In dieser Nacht war Elysia zum letzten Mal auf Ariel geritten. In
der folgenden Woche kam eine Verwandte, die sie noch nie kennen- gelernt hatte, in Rose Arbor an und behauptete, die Stiefschwester ihrer Mutter zu sein. Elysia erinnerte sich dunkel daran, daß ihre Mutter ihr von einer Stiefschwester erzählt hatte, bei der sie als jun- ges Mädchen gewohnt hatte. Mehr wollte ihre Mutter ihr nicht er- zählen. Am besten man vergißt die Vergangenheit, hatte ihre Mutter traurig gesagt, mit einem schmerzlichen Blick, der an vergangene Pein erinnerte, und es war das einzige Mal, solange sie denken konnte, daß Elysia sie so unglücklich gesehen hatte.
Agatha Penwick, eine große, hagere Frau in den Fünfzigern, übernahm das Kommando in Rose Arbor und alle geschäftlichen und finanziellen Angelegenheiten mit autoritärem Geschick. Ihr hageres Gesicht mit der langen, dünnen Nase wirkte steinern, und die kleinen, farblosen Augen inspizierten mit einem abschätzenden, berechnenden Blick das Haus - den Wert jedes Gegenstands bis auf den letzten Schilling taxierend.
»Ich bin die einzige lebende Verwandte deiner Mutter, und ich glaube, dein Vater hatte niemanden, der die Verantwortung für deine Erziehung übernehmen könnte«, sagte sie kalt und ohne eine Spur Wärme oder Mitleid in der Stimme. »Alles was übrigbleibt, wenn die Schulden bezahlt sind, werde ich beanspruchen, um dir ein geeignetes Heim zu bieten.«
Dann ließ Agatha den größten Teil des Familienbesitzes verstei- gern und erfreute damit die Gläubiger der Demarices und die Rechtsanwälte. Alle waren mit dem Ergebnis zufrieden - alle, bis
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