Durch Himmel und Hoelle
nämlich nicht in London.«
»Das ist doch nicht dein Ernst!« hauchte Mariana. »Du hast wirk- lich vor zu heiraten?« Sie musterte sein Gesicht, aber seine grim- mige Miene verriet nichts. »Was, wenn ich fragen darf, ist mit dei- nem Schwur, Junggeselle zu bleiben?« fragte sie bissig. »Das scheint mir alles ziemlich überstürzt nach so langen Jahren überzeugten Junggesellentums. Du wirst verzeihen, daß ich da meine Zweifel habe.« Sie lächelte nicht sehr freundlich. »Ich glaube dieses Am- menmärchen erst, wenn ich das Vergnügen gehabt habe, diesen Ausbund an Tugend kennenzulernen, der es fertiggebracht hat, dei- nen Ring an ihren Finger zu bekommen, und nicht vorher.«
Alex ging langsam zu seinem Schreibtisch, öffnete eine Schub- lade, zog verschiedene Papiere heraus und ordnete sie, während Mariana ihm erstaunt zusah.
»Da ist meine Heiratslizenz, meine Liebe«, erklärte er und sah gleichgültig in ihr schockiertes Gesicht. Sie eilte zum Schreibtisch, riß ihm das Papier aus der Hand, sah es kurz an und warf es dann auf den Tisch, als würde es ihr die Finger verbrennen.
Lady Woodley stolzierte zur Tür hinaus, hinter sich eine Wolke schweren Parfums zurücklassend. An der Tür drehte sie sich noch einmal zu Lord Trevegne um, der lässig am Schreibtisch lehnte, ei- nen tiefen Zug aus seiner Zigarre nahm, den Rauch langsam in die Luft blies und zynisch dabei lächelte, und sagte in warnendem Ton:
»Tu nichts, was uns später beiden leid tun wird; diesen Fetzen nehme ich sowieso nicht ernst. Die Erlaubnis ist nicht mal das Pa-
pier wert, auf das sie geschrieben ist«, sagte sie zuversichtlich, ehe sie ihm herausfordernd die Schulter zudrehte und mit verführerisch wippenden Locken hinausging.
Alex starrte einige Minuten lang die geschlossene Tür an, nach- dem Mariana gegangen war. Er seufzte erleichtert, als er ihre Kut- sche wegfahren hörte. Wieso er sich an die Heiratslizenz erinnert hatte, war ihm nicht klar, aber es war eine Eingebung gewesen, um sie von seinen ernsten Absichten zu überzeugen. Daß er sie Peter gestern weggenommen hatte, als der damit drohte, die Schauspie- lerin, in die er gerade verliebt war, zu heiraten, wenn er nicht mit ei- nem Vorschuß herausrückte, brauchte Mariana nicht zu wissen.
Kurz entschlossen rief er seinen Diener und traf Vorbereitungen zur sofortigen Abreise — er wollte nicht mehr bis morgen warten, wie er zunächst geplant hatte. Er ließ Dawson seine Verabredungen für den Abend absagen und zog sich schnell um.
Er trug seinem aufgeregten und verwirrten Kammerdiener auf, ihn morgen irgendwann im Wayfarers Rest mit der Kutsche abzu- holen, und ritt schon eine Stunde später aus London hinaus.
Auf dem offenen Land ließ er den Blick über die Felder und über die dunklen Wolken schweifen, die sich über seinem Kopf zusammen- brauten. Er atmete tief die nach Tannen duftende Luft ein und spürte sie wie eine Liebkosung auf den Wangen, während Sheik durch den Nachmittag galoppierte und seine Hufe eine Staubwolke aufwirbelten.
»Langsam, Junge«, beschwichtigte Alex das Tier und zog leicht die Zügel an, »wir wollen doch den Teufel nicht erschrecken.«
Er lachte laut, ein tiefes, weittragendes Geräusch voller Heiter- keit und Übermut. Er hatte keinerlei Sorgen. Nichts konnte ihn auf- halten. Er ließ die Zügel schießen und sprengte wild die Straße ent- lang, mit Wind und Wolken um die Wette, sein weiter Mantel mit den vielen Capes wehte hinter ihm her.
Oh Büberei! - Ha! Laßt die Türen schließen. Verrat! sucht, wo er steckt.
Shakespeare
4. K APITEL
Schon seit Tagesanbruch heulte der Wind und fegte die Blätter der nahestehenden Bäume gegen die Mauern des Gasthofes, um sie dann in Richtung der dunklen fernen Hügel zu blasen, die im schwindenden Licht des Abends nur noch als finstere Silhouetten zu sehen waren. Der leichte Regen, der mittags angefangen hatte, war mittlerweile zu einem Unwetter geworden.
Tibbitts, der Besitzer des Gasthofes Wayfarers Rest, ärgerte sich darüber. Schlechtes Wetter brachte nicht mehr Gäste, aber dafür mehr Arbeit. Die vielen nicht reparierten Löcher und Risse im Dach machten sich dann bemerkbar, und das Wasser bahnte sich einen Weg ins Haus und, Gott behüte, auf einen seiner Gäste. Sein Gast- haus stand an der Kreuzung, wo die Straßen aus dem Norden und die von der Küste aus Richtung London aufeinandertrafen, und nahm den Verkehr aus jeder Richtung auf, einschließlich der Post- kutschen, die
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