Durch Himmel und Hoelle
Geldbeutel fressen, und er hatte nicht die Absicht, in den alten demütigenden Zustand von Armut zurückzukehren. Seine Verarmung hatte ihn in der Vergangenheit oft in Verlegenheit gebracht und ihn beizeiten zu einem Schmeichler und Speichellecker reduziert, den nicht nur die verachteten, denen er schmeichelte, sondern, was das Schlimmste war, auch er selbst. Die Selbstachtung zu verlieren war das Ärgste, was einem Gentleman zustoßen konnte.
Er wollte ja wirklich nur, was ihm zustand und sein angeborenes Recht war. Er war als Gentleman auf die Welt gekommen und, bei Gott, so wollte er auch leben. Statt dessen hatte er zu unlauteren Mitteln greifen müssen und war inzwischen zum Meister darin ge- worden. Er konnte Menschen äußerst geschickt beeinflussen und jeder unangenehmen Situation aus dem Weg gehen. Er war fest da- von überzeugt, daß er sich aus allem herausreden konnte, weil er sich notgedrungen in der Kunst der Selbsterhaltung unglaubliches Geschick angeeignet hatte. Er redete sich ein, daß ihn überhaupt keine Schuld traf, wenn er zu solchen Mitteln greifen mußte.
Seine liebenden Eltern hatten in schöner Eintracht sein Erbe ver- spielt, und alles, was ihm geblieben war, als sie starben, waren rie- sige Schulden.
Er lernte früh, daß er hart und ohne Bandagen kämpfen mußte, wenn er in der besseren Gesellschaft, der Elite Londons, bleiben und seinen angestammten Platz einnehmen wollte. Seine Eltern nannte man »das königliche Paar«, Karokönig und Karodame. Man konnte sie immer beim Glücksspiel antreffen, wo sie mehr die Kar- ten als ihre Gegner mit ihrem Geschick herausforderten.
Seine Eltern vererbten Sir Jason nicht ihre fanatische Besessenheit
mit dem Glücksspiel, wohl aber ihr Geschick, aus dem Unglück an- derer Gewinn zu schlagen - und es war gelegentlich nicht unter sei- ner Würde, seinem Glück beim Kartenspiel ein wenig nachzuhel- fen. Und die Karten verhalfen ihm zu seinem Spitznamen — der Jo- ker.
Man konnte immer auf Beckingham zählen, wenn es galt, in eine Party Schwung zu bringen. Man wußte nie genau, was von ihm zu erwarten war oder wann er ausgerechnet da auftauchen würde, wo man gerade ein neues Gesicht und neuen Klatsch dringend brauchte.
Aber das wahre Gesicht des Jokers kannte keiner, und alle, die ihn ansahen, akzeptierten das, was er zeigen wollte: den Clown, den Spaßmacher, den schlagfertigen Witzbold - den Narren, der alle zum Lachen brachte. Der wirkliche Sir Jason wollte Reichtum und Macht um jeden Preis. Er würde sich nie mehr demütigen und von einer reichen ältlichen Herzogin herumkommandieren lassen oder bei einem pockennarbigen, häßlichen Mädchen den Verehrer spie- len, nur weil sie Geld mit in die Ehe bringen würde.
Es gab wenige Ausnahmen, bei denen sein Verlangen und die Notwendigkeit sich nicht feindlich gegenüberstanden, aber Cathe- rine Bellington war eine. Daß Schönheit und Reichtum so wohlver- packt zusammenkamen, war zu schön, um wahr zu sein.
Er hätte sich daran erinnern sollen, daß einen das Glück manch- mal im Stich läßt, daß nicht immer alles so läuft, wie man will, doch dieses Mal war er so sicher, daß ihn nichts auf der Welt daran hin- dern könnte, sein Ziel zu erreichen, nämlich Catherine zu heiraten und ein reicher Mann zu werden. Er gab sich nicht selbst die Schuld daran, daß seine Chancen geschwunden waren. Nicht einmal die Götter des alten Ägypten hätten sein Scheitern verhindern können. Die Karten waren gegen ihn, und kein Mensch hatte sie gemischt. Der Teufel hatte seinen Plan zum Scheitern gebracht, der Teufel in Gestalt von Catherines Vormund - Lord Trevegne.
Alles, was ihm die Ehe mit Catherine hätte einbringen können, war jetzt unerreichbar für ihn. In ihrer ersten Londoner Saison war sie so naiv und für alle Schmeicheleien empfänglich gewesen.
Er hatte Catherine nie wirklich geliebt, aber er fand sie anzie- hend, und manchmal hatte sie ihn amüsiert. Sie wären sicher gut miteinander ausgekommen, bis ein gewisser Teufel mit seinen durchdringenden Bernsteinaugen wie durch Zauberei auftauchte und Catherine mitsamt ihrem Vermögen einem anderen Gentleman in die Arme trieb.
Catherine, seine goldene Zukunftsaussicht, wurde mit einem pas- senden Landedelmann verheiratet. Ohne Zweifel ein rotgesichtiger, bombastischer Angeber mit O-Beinen und Bauch und einer roten Nase von zuviel Schnaps, dachte er boshaft und drehte sich, um seine gute Figur im Wandspiegel zu bewundern. Mit einem Bek- kingham
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