Durch Himmel und Hoelle
Zunge schmecken, sollte er eine Möglichkeit finden, den allmächtigen Lord Trevegne zu bestrafen.
Ein Klopfen an der Tür erschreckte Lord Jason, der gedanken- verloren aus dem Fenster blickte.
»Herein!« rief er und drehte sich um.
»Wenn Sir Beckingham so freundlich wäre, herunterzukommen, sein Essen ist fertig und wartet auf ihn«, kündigte Tibbitts an.
»Sehr gut. Ich komme gleich. Übrigens, hat Lord Trevegne schon diniert?« fragte er Tibbitts gespielt gleichgültig.
»Nein, er ist gerade hinuntergegangen«, erwiderte Tibbitts. Tib- bitts ging erleichtert die enge, wacklige Treppe hinunter und dachte dabei, daß der Bengel recht gehabt hatte. Dieser Mann hatte wirk- lich einen bösartigen Blick. Den wollte er nicht zum Feind haben. Es lief ihm kalt über den Rücken bei der Erinnerung an die eiskalten Augen. Tibbitts musterte kurz den großen hölzernen Tisch, der zum Abendessen der beiden gedeckt war, und betrachtete dann den anderen Gast, der nachdenklich vor dem großen Feuer stand und sich wärmte.
Das war auch ein Gentleman, dem er nicht gern ins Gehege kom- men wollte, dieser Lord Trevegne, der oft bei ihm einkehrte, wenn er unterwegs zu seinen Gütern in Cornwall war. Ja, ja, er hatte über Seine Lordschaft schon allerhand munkeln hören. Wer sich ihm in den Weg stellte, hatte nichts zu lachen. Aber was konnte man von den Fremden schon erwarten, die von dieser unwirtlichen Corn- wallküste kamen - ein Niemandsland, wie er gehört hatte.
»Verfluchter Zug«, brummte Tibbitts und versuchte vergeblich, die Fenster besser zu schließen, um seine Gäste vor dem kalten Wind zu schützen.
»Da seid Ihr ja, Sir Beckingham.« Tibbitts stellte schnell einen Stuhl für Sir Jason bereit, der gerade den Raum betreten hatte, prächtig angetan mit einem rosa Samtrock, gelben Kniehosen, einer orange und gelb gestreiften Weste und weißer, gestärkter, reich ge- rüschter Spitzenkrawatte.
Lord Trevegne, der nachdenklich ins Feuer gestarrt hatte, wandte sich langsam dem neuen Gast zu und zog, als er ihn erkannte, eine dunkle Braue hoch.
»Guten Abend, Beckingham«, sagte Lord Trevegne und nahm gegenüber von Sir Jason am Tisch Platz. »Habe ich das. . . Vergnü- gen Eurer Gesellschaft bei diesem herzhaften Mahl, das wir hier zu erwarten haben?«
»Lord Trevegne«, erwiderte Sir Jason und unterdrückte die Pa-
nik, die ihn erfaßt hatte, als er sah, daß er dem Marquis Auge in Auge gegenübersitzen würde. »Es wird mir ein Vergnügen sein, Eure Gesellschaft zu genießen, Mylord«, heuchelte er und wünschte sich insgeheim, er könnte Trevegne einen Dolch ins Herz stoßen. Er musterte Lord Trevegne neugierig und fragte: »Ihr seid ziemlich weit von London weg an so einem scheußlichen Abend.« Er steckte sich mit der Gabel eine kleine Kartoffel in den Mund und fing an, das dicke, saftige Stück Rindfleisch, das auf seinem Teller lag, zu schneiden.
»Ich bin auf dem Weg nach St. Fleur. Aber Ihr seid ja auch unter- wegs.«
St. Fleur, die Heilige Blume. Eine nicht gerade passende Bezeich- nung für das Heim Lord Trevegnes, dachte Sir Jason belustigt. Warum nicht St. Dämon, seinem Herrn zu Ehren? »Ich bin hier we- gen der Hahnenkämpfe in Brown's Mill - man sagt, Rawsley hat ei- nen richtigen Mörder aus York hergeschickt«, erklärte er und beob- achtete Trevegne, wie er ein dickes Stück Schinken von der Platte nahm, die die Serviererin gerade hingestellt hatte. Ihre tiefausge- schnittene Bluse zeigte ihre vollen Schultern und Brüste, und sie warf Trevegne einen einladenden Blick zu, als sie seinen leeren Humpen nahm, um ihn aufzufüllen.
»Ich habe Eure Kutsche nicht im Hof gesehen«, sagte Sir Jason. »Ihr werdet doch nicht den ganzen Weg zur Küste bei diesem Wet- ter zu Pferde zurücklegen?«
Sir Jason rutschte verlegen auf seinem Stuhl herum und fragte sich, was er wohl gesagt hatte, um den Ausdruck der Heiterkeit im Gesicht des Marquis hervorzurufen.
»Ich bin aus London vorausgeritten, und meine Kutsche und mein Diener werden in etwas gemächlicherem Tempo nachkom- men. Sie sollten morgen früh hier im Gasthof eintreffen«, antwor- tete Lord Trevegne knapp und beendete seine Mahlzeit mit einer Zimtcreme.
Die beiden setzten ihr Gespräch im Lauf des Abends fort. Tib- bitts füllte zwei bauchige Gläser mit seinem besten geschmuggelten Brandy und präsentierte sie den beiden Männern, die in den großen Sesseln vor dem Kamin Platz genommen hatten. Dann warf er noch schnell ein Scheit auf die
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