Durch Himmel und Hoelle
Gesellschaft würde es sehr zu schätzen wissen. Ihr würdet bemitleidet und zur Märtyrerin enttäuschter junger Frauen werden. Ihr habt schließlich die Nacht mit Trevegne, dem berüch- tigtsten Lüstling der Londoner Gesellschaft, verbracht und daraus
die einzig mögliche Konsequenz gezogen und den ehrenhaften Ausweg gewählt.«
Elysia spürte, wie ihr bei seinen beleidigenden und spöttischen Bemerkungen die Tränen in die Augen stiegen - Augen, die riesen- groß unter den geschwungenen Brauen glänzten. Sie beugte ihren Kopf, und Tränen der Verzweiflung rannen über ihre blassen Wan- gen. Sie versuchte tapfer, aber vergeblich, ihr Schluchzen zu unter- drücken, als sie fühlte, wie ihr Widerstand dahinschmolz.
Etwas Warmes, Weiches wurde um ihre Schultern gelegt, und durch den Schleier ihrer Tränen merkte sie, daß es der Mantel von Lord Trevegne war. Er führte sie zum Bett, half ihr hinein und deckte sie mit einer warmen Decke zu. Dann sah er auf sie herab, und sie starrte ihn aus tränennassen, grünen Augen an.
»Wie Ihr seht, meine Liebe, habt Ihr gar keine andere Wahl«, sagte er, wenigstens dieses eine Mal freundlich, »und wenn ich hin- zufügen darf, wäre es verbrecherisch von mir, einem so schönen Kind zu erlauben, sich umzubringen.«
Mit dieser letzten unverschämten Bemerkung drehte er sich um und begann sich schnell anzuziehen. Während er seine hohen Stiefel überstreifte, sagte er kurz: »Ihr bleibt hier, und ich hole Eure Sa- chen. Ihr könnt Euch hier anziehen. Meine Kutsche müßte jeden Augenblick eintreffen, dann fahren wir ab. Aber zuerst lasse ich Euch ein Frühstück bringen.«
Elysia sah ihm nach, als er das Zimmer verließ. Seine große mus- kulöse Gestalt füllte den Türrahmen vollkommen aus, bevor er die Tür hinter sich schloß. Sie starrte, ohne etwas zu sehen, die Decke an. Vielleicht sollte sie versuchen, sich zu ertränken oder sich an ei- nem Balken aufzuhängen. Aber das würde dem Gasthof einen schlechten Ruf einbringen, und das war einfach nicht fair dem freundlichen Gastwirt gegenüber. Sie sollte wirklich daran denken, ihrem Leben ein Ende zu bereiten - aber das Schreckliche dabei war, daß es ihr gar nicht in den Sinn kam, sich das Leben zu nehmen. Es
stimmte ja, daß sie niemanden auf dieser Welt hatte, den sie liebte, aber irgendein Funke, der Wille zum Leben war zu stark. Aber welch ein Leben würde sie als Gattin von Lord Trevegne erwarten, einem Wüstling, einem Schurken, der keinen Hehl aus seinem schlechten Ruf machte?
Vielleicht sollte sie weglaufen? Sie mußte vor dem Marquis flie- hen. Sie erwog verschiedene Möglichkeiten, als der Marquis die Tür öffnete und mit ihrer Strohtasche hereinkam, die er zusammen mit ihrem Kleid und dem Umhang aufs Bett legte.
»Ich will meinen Mantel wiederhaben«, sagte er und stellte sich neben sie. Sie streifte ihn widerstrebend ab, reichte ihn ihm und zog die Decke über ihre Schultern, während sie ihn ängstlich beobach- tete.
»Meine Kutsche ist da, also beeilt Euch und zieht Euch an. Wir fahren in einer halben Stunde ab. Und versucht ja nicht, durch die Hintertür zu entkommen, ich habe mich nämlich entschlossen, Euch zu heiraten. Ich würde Euch überall finden, Elysia«, drohte er ihr. »Außerdem habe ich diese gefährliche Waffe konfisziert, die ich unter Euren Sachen gefunden habe.« Er drehte die Waffe behutsam in seinen großen Händen.
Elysia biß sich vor Wut auf die Lippen. Sie hatte die Waffe nicht vergessen und sie zur Flucht benutzen wollen.
»Eine sehr schöne Duellpistole«, urteilte er fachmännisch und betrachtete den gebogenen Griff und den langen, mit Silber einge- legten Lauf. Er sah Elysia prüfend an. »Die wolltet Ihr doch hof- fentlich nicht an mir ausprobieren, oder?«
Elysia zuckte gleichgültig mit den Achseln und verbarg ihre Furcht hinter Keckheit. »Ich hätte ja nichts dagegen, in Eure arro- gante Brust ein Loch zu schießen, aber die Kugel würde von dem Stück Felsen abprallen, den Ihr Euer Herz nennt.«
Er lachte. Offensichtlich belustigte ihn ihre bösartige Antwort. »Ihr müßt Euch glücklich schätzen, daß Ihr nicht versucht habt, es
auszuprobieren, weil ich Leute, die mich angreifen, immer sehr grob behandle.«
Er verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal umzusehen, und Elysia erhob sich langsam aus dem Bett, holte ihre Tasche und sah nach, ob noch alles vorhanden war. Sie fand ihr Nachthemd zusam- mengeknüllt und wurde schamrot bei der Vorstellung, wie Sir
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