Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
weitere Leute auf den Plan bringt«, fuhr Ryan mit bleierner Stimme fort.
»Soll heißen?«
»Pepper hatte Einfluss. Falls der beschlossen hatte auszupacken, würden viele seiner Freunde ganz schön in der Scheiße stecken.«
»Ich kann dir nicht folgen.«
»Wahrscheinlich wollten einige mächtige Leute Pepper tot sehen.«
»So sehr, dass sie siebenundachtzig andere Menschen mit dazu umbringen würden?«
»Ohne mit der Wimper zu zucken.«
»Aber das Flugzeug war voller Jugendlicher.«
»Diese Kerle sind keine Jesuiten.«
Ich war zu schockiert, um etwas zu erwidern.
Als Ryan meinen Gesichtsausdruck sah, wechselte er das Thema. »Hunger?«
»Ich muss schlafen.«
»Du musst essen.«
»Ich nehme mir irgendwo einen Burger mit«, log ich.
Ryan trat zurück. Ich schloss meine Tür auf und fuhr davon, zu müde und zu niedergeschlagen, um gute Nacht zu sagen.
Da jedes Zimmer in der Gegend von der Presse und der NTSB besetzt war, hatte man mich in einem kleinen Bed and Breakfast am Rand von Bryson City untergebracht. Ein paar Mal bog ich falsch ab und musste zweimal nach dem Weg fragen, bevor ich es fand. Seinem Namen entsprechend stand High Ridge House auf einem Hügel am Ende eines langen, schmalen Sträßchen. Es war ein zweistöckiges weißes Farmhaus mit Schnitzereien an Fensterrahmen und Türen sowie den Balken und dem Geländer einer breiten Veranda an der Front und den beiden Seiten. Im Licht der Verandabeleuchtung sah ich hölzerne Schaukelstühle, Übertöpfe aus Weidengeflecht, Farne. Sehr viktorianisch.
Ich stellte mein Auto zu einem halben Dutzend anderer auf einem briefmarkengroßen Parkplatz auf der linken Seite des Hauses und folgte einem Plattenweg, der von metallenen Gartenstühlen flankiert war. Glöckchen bimmelten, als ich die Haustür öffnete. Im Haus roch es nach Möbelpolitur, Haushaltsreiniger und schmorendem Lamm.
Irish Stew ist vermutlich mein Lieblingsgericht. Wie immer erinnerte es mich an meine Großmutter. Zum zweiten Mal in zwei Tagen? Vielleicht schaute das alte Mädchen auf mich herab.
Augenblicke später erschien eine Frau. Sie war mittleren Alters, knapp eins sechzig groß, trug kein Make-up und hatte ihre dichten grauen Haare oben auf dem Kopf zu einer merkwürdigen Wurst zusammengesteckt. Sie trug einen langen Jeansrock und ein rotes Sweatshirt mit der Aufschrift LOBET DEN HERRN quer über der Brust.
Bevor ich etwas sagen konnte, nahm die Frau mich in die Arme. Ich war so überrascht, dass ich nur leicht gebückt dastehen und die Arme wegstrecken konnte, um die Frau nicht mit meiner Tasche oder meinem Laptop zu schlagen.
Nach einer Ewigkeit ließ die Frau mich los und schalte mich mit der Intensität eines Tennisspielers, der in Wimbledon auf den Aufschlag wartet, an.
»Dr. Brennan.«
»Tempe.«
»Was Sie für diese armen toten Kinder tun, ist das Werk des Herrn.«
Ich nickte.
»Der Tod seiner Heiligen ist wertgehalten vor dem Herrn. So heißt es in den Psalmen.«
O Mann.
»Ich bin Ruby McCready, und es ist mir eine Ehre, Sie in High Ridge House beherbergen zu dürfen. Ich habe vor, mich um jeden Einzelnen von Ihnen zu kümmern.«
Ich fragte mich, wer sonst noch hier untergebracht war, sagte aber nichts. Ich würde es bald herausfinden.
»Vielen Dank, Ruby.«
»Geben Sie mir das.« Sie griff nach meiner Tasche. »Ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.«
Meine Gastgeberin führte mich vorbei an einem Salon und einem Esszimmer, eine geschnitzte hölzerne Treppe hoch und einen Korridor entlang, von dem zu beiden Seiten geschlossene Türen mit kleinen handgemalten Schildern abgingen. Am Ende machte der Gang einen Knick um neunzig Grad, und wir blieben vor einer einzelnen Tür stehen. Auf dem Schildchen stand Magnolia.
»Da Sie die einzige Dame sind, habe ich Ihnen das Magnolia gegeben.« Obwohl wir allein waren, flüsterte Ruby, und ihr Tonfall klang verschwörerisch. »Es ist das einzige mit WC. Ich dachte mir, dass Sie das zu schätzen wissen.«
WC? Wo in der Welt nannte man ein Bad noch Wasserklosett?
Ruby folgte mir ins Zimmer, stellte meine Tasche aufs Bett und fing an, die Kissen aufzuschütteln und die Jalousien herunterzulassen wie ein Page im Ritz.
Bezugsstoff und Tapete erklärten den blumigen Namen. Das Fenster hatte Vorhänge, auf den Tischen lagen Deckchen, und Rüschen schmückten jede Ecke des Zimmers. Der Ahornschaukelstuhl und das Bett waren mit Kissen überhäuft, und in einem Glasschrank standen unzählige Figurinen. Obendrauf saßen
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