Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
tanzten in den Löchern und Furchen, die die Fleischfresserzähne hinterlassen hatten.
Ich zog frische Handschuhe aus meiner Tasche, streifte einen über und hob den Fuß auf. Dann markierte ich die Stelle mit dem zweiten Handschuh, den ich mit einem Stein sicherte.
»Sollte er nicht erst kartografiert werden?«
»Wir wissen nicht, wo das Rudel ihn gefunden hat. Außerdem, wenn wir ihn jetzt hierlassen, werden ihn sich die Hündchen erst recht zu Gemüte fuhren.«
»Du bist der Chef.«
Ich folgte Ryan aus dem Wald hinaus und hielt dabei den Fuß so weit von mir entfernt wie möglich.
Am Kommandozentrum angekommen, ging Ryan in den Anhänger der NTSB, und ich brachte meinen Fund zur Leichensammelstelle. Nachdem ich den Leuten an der Annahme erklärt hatte, woher ich ihn hatte und warum ich ihn mitgenommen hatte, gaben sie ihm eine Nummer, steckten ihn in eine Tüte und schickten ihn in einen der Kühllaster. Und ich machte mich wieder an die Arbeit.
Zwei Stunden später brachte Earl mir einen Zettel: Melden Sie sich morgen früh um 7 Uhr im Leichenschauhaus. LT.
Er gab mir eine Adresse und sagte mir, ich solle Feierabend machen. Ich konnte ihn nicht umstimmen.
Ich ging zur Dekontamination, duschte unter kochend heißem Wasser, solange ich es aushielt, und zog dann frische Kleider an. Meine Haut war schweinchenrosa, als ich den Anhänger verließ, aber wenigstens war der Gestank verschwunden.
Als ich, erschöpft wie selten, die Stufen hinunterpolterte, sah ich etwa zehn Meter weiter unten an der Straße Ryan an einem Streifenwagen stehen und mit Lucy Crowe reden.
»Sie sehen fertig aus«, sagte Crowe, als ich zu ihnen kam.
»Bin ganz okay«, erwiderte ich. »Earl hat mich in den Feierabend geschickt.«
»Wie läuft’s da draußen?«
»Es läuft.«
Zwischen den beiden kam ich mir vor wie ein Zwerg. Sowohl Ryan wie Crowe waren deutlich über eins achtzig, allerdings schlug sie ihn, was die Schulterbreite anging. Er sah aus wie ein Zehnkämpfer, sie wie eine Gewichtheberin.
Da ich nicht in Stimmung war für eine Unterhaltung, fragte ich nur Crowe nach dem Weg und entschuldigte mich dann.
»Wart mal, Brennan.«
Ich wartete auf Ryan, warf ihm aber einen Blick zu, der hieß: »Red nicht darüber.« Ich wollte nicht über Wölfe diskutieren.
Im Gehen dachte ich an Jean Bertrand mit seinen Designersakkos, passenden Krawatten, seinem ernsten Gesicht. Bertrand hatte immer den Eindruck vermittelt, er gebe sich zu viel Mühe, er höre zu genau zu, um nur ja keinen wichtigen Hinweis oder eine bedeutsame Nuance zu verpassen. Ich konnte ihn jetzt hören, wie er vom Französischen ins Englische wechselte, in seiner ganz persönlichen Variante des Franglais, wie er über seine eigenen Witze lachte und gar nicht merkte, dass die anderen es nicht taten.
Ich erinnerte mich an meine erste Begegnung mit Bertrand. Kurz nach meiner Ankunft in Montreal war ich zu einer Weihnachtsparty gegangen, die das Morddezernat der SQ veranstaltet hatte. Bertrand war dort, schon leicht angetrunken und erst seit kurzem Andrew Ryans Partner. Der Super-Bulle war damals bereits so etwas wie eine Legende, und Bertrand himmelte ihn unverhohlen an. Am Ende des Abends war diese Heldenverehrung allen peinlich. Vor allem Ryan.
»Wie alt war er?« Ich stellte die Frage, ohne darüber nachzudenken.
»Siebenunddreißig.« Ryan wusste genau, was mir durch den Kopf ging.
»O Gott.«
Wir erreichten die Bezirksstraße und gingen den Hügel hinauf.
»Wen überführte er denn?«
»Einen Kerl namens Rémi Petricelli, unter seinen Freunden als Pepper bekannt.«
Ich kannte den Namen. Petricelli war ein großes Tier bei den Quebec Hells Angels, mit angeblich guten Verbindungen zum organisierten Verbrechen. Die kanadischen und amerikanischen Behörden ermittelten seit Jahren gegen ihn.
»Was trieb Pepper denn in Georgia?«
»Ungefähr vor zwei Monaten endete ein kleiner Drogendealer namens Jacques Fontana als Holzkohle in einem Subaru Outback. Alle Spuren führten zu Pepper, und er beschloss, die Gastfreundschaft seiner Brüder in Dixie in Anspruch zu nehmen. Um es kurz zu machen, Pepper wurde in einer Bar in Atlanta gesehen, die Örtlichen buchteten ihn ein, und letzte Woche beschloss Georgia, ihn auszuliefern. Bertrand sollte ihn nach Quebec zurückschaffen.«
Wir hatten mein Auto erreicht. Auf dem Aussichtspunkt hielt ein Mann im Scheinwerferlicht ein Mikro in der Hand, während eine Assistentin sein Gesicht puderte.
»Was noch einige
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