Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
durch. Nach fünfzig Metern stand Bowmans Haus zwischen den Bäumen wie ein einsamer Posten, der den Waldweg bewachte.
Der Reverend lebte in einem verwitterten Holzbungalow mit einer Veranda auf der einen und einem Schuppen auf der anderen Seite. In beiden stapelte sich genug Feuerholz, um damit ein mittelalterliches Schloss zu heizen. Grell türkisfarbene Markisen beschirmten die Fenster zu beiden Seiten der Haustür und sahen im Dämmerlicht so deplatziert aus wie McDonald’s goldene Bögen an einer Synagoge.
Der »Vorhof« lag im Schatten und war mit einer dicken Schicht aus Laub und Nadeln bedeckt. Von einem kiesbestreuten Rechteck am Ende des Waldwegs führte ein Kiesweg über den Vorhof zur Tür.
Ich parkte neben Bowmans Pick-up, stellte den Motor ab und schaltete mein Handy ein. Bevor ich aussteigen konnte, ging die Haustür auf, und der Reverend erschien auf der Schwelle. Wieder war er schwarz gekleidet, als wollte er sich selbst an die Feierlichkeit seiner Berufung erinnern.
Bowman lächelte nicht, aber seine Gesichtszüge entspannten sich, als er mich erkannte. Ich stieg aus dem Auto und ging den Weg entlang. An den Rändern wuchsen kleine braune Pilze.
»Tut mir Leid, Sie zu stören, Reverend Bowman. Aber ich habe meine Einkaufstüte in Ihrem Auto vergessen.«
»Ja, das haben Sie. Sie steht in der Küche.« Er trat zur Seite. »Bitte kommen Sie rein.«
Ich drückte mich an ihm vorbei in einen düsteren Raum, in dem es stark nach verbranntem Speck roch.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
»Nein, danke. Ich kann nicht lange bleiben.«
»Bitte setzen Sie sich.«
Er deutete in ein kleines, mit Möbeln voll gestelltes Wohnzimmer. Die Stücke sahen aus, als hätte er einen ganzen Ausstellungsraum aufgekauft und sie dann genau wie dort wieder aufgestellt. Nur enger zusammen.
»Danke.«
Ich saß auf einer Eckcouch aus braunem Velours, Teil einer noch immer in Plastikhüllen steckenden Dreiergruppe. Obwohl es draußen kühl war, waren die Fenster geöffnet, und die perfekt zur Sitzgarnitur passenden braun karierten Vorhänge bauschten sich im Luftzug nach innen.
»Ich hole Ihnen Ihre Sachen.«
Er verschwand, eine Tür wurde geöffnet, und die gedämpften Stimmen, das Bimmeln und der Applaus einer TV-Spielshow drangen heraus. Ich sah mich um.
Es gab keinen einzigen persönlichen Gegenstand in dem Zimmer. Keine Hochzeits- oder Schulabschlussfotos. Keinen einzigen Schnappschuss von Kindern am Strand oder einem Hund mit einem Partyhütchen. Die einzigen Bilder waren die von Personen mit Heiligenschein. Ich erkannte Jesus, und von einem anderen glaubte ich, dass es Johannes der Täufer war.
Nach einigen Minuten kehrte Bowman zurück. Der Plastiküberzug knisterte, als ich mich erhob.
»Vielen Dank.«
»Es war mir ein Vergnügen, Miss Temperance.«
»Und noch einmal danke für gestern.«
»Ich habe sehr gerne geholfen. Peter und Timothy sind die besten Mechaniker in der Gegend. Ich bringe meinen Transporter seit Jahren zu ihnen.«
»Reverend Bowman, Sie leben schon lange hier, nicht?«
»Mein ganzes Leben.«
»Wissen Sie irgendetwas über ein Blockhaus mit einem ummauerten Hof in der Nähe der Absturzstelle?«
»Ich erinnere mich, dass mein Daddy von einem Lager dort in der Gegend in der Nähe des Running Goat Branch erzählte, aber nie von einem Blockhaus.«
Mir fiel plötzlich etwas ein. Ich stemmte mir die Tüte auf die linke Hüfte, holte McMahons Fax heraus und gab es Bowman.
»Kennen Sie irgendeinen dieser Namen?«
Er faltete das Blatt auf und las es. Ich musterte ihn eingehend, sah aber keine Veränderung in seiner Miene.
»Tut mir Leid.«
Er gab mir das Fax zurück, und ich steckte es wieder in meine Handtasche.
»Haben Sie je von einem Mann namens Victor Livingstone gehört?«
Bowman schüttelte den Kopf.
»Edward Arthur?«
»Ich kenne einen Edward Arthur, der in der Nähe von Sylva lebt. War früher bei Holiness, verließ die Bewegung aber schon vor Jahren. Bruder Arthur behauptete, er wäre von George Hensley persönlich zum Heiligen Geist geführt worden.«
»George Hensley?«
»Der Erste, der mit Schlangen hantierte. Bruder Arthur behauptete, er hätte Reverend Hensley während dessen Zeit im Grasshopper Valley kennen gelernt.«
»Verstehe.«
»Bruder Arthur muss inzwischen fast neunzig sein.«
»Er lebt noch?«
»So sicher wie das Amen in der Kirche.«
»Und er war ein Mitglied Ihrer Gemeinde?«
»Er gehörte zu den Schäfchen meines Vaters, und fromm
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