Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
mir durch den Kopf. Wie lange wurde ich schon beschattet? Konnte dies die Verwüstung meines Zimmers erklären? Wie weit würden sie gehen? Warum?
Würden sie es weiter tun?
Wer waren »sie«?
Mein Blick schnellte zum Rückspiegel.
Wo in Gottes Namen war dieser Fuß? Hatte ihn wirklich jemand gestohlen? Und wenn, zu welchem Zweck?
Woher wussten sie, dass er verschwunden war? Wer hatte den Fuß am Montag gewollt? Warum?
Wo war Primrose Hobbs?
Das Büro des Vizegouverneurs hatte normalerweise nicht viel mit einer solchen Katastrophenuntersuchung zu tun. Warum hatte Davenport ein so großes Interesse daran?
Konnte es wirklich sein, dass ich wegen eines Verbrechens angeklagt wurde? Sollte ich mir einen Anwalt besorgen?
Ich war so vertieft in diese Fragen, dass ich fuhr wie ein Roboter, meine Umgebung zwar wahrnahm und darauf reagierte, aber keine Eindrücke bewusst aufnahm. Ich weiß nicht, wie weit ich schon so gefahren war, als ein lautes Jaulen meinen Blick wieder zum Rückspiegel zog.
Ein Streifenwagen hing an meiner Stoßstange, und seine Scheinwerfer blitzten wie ein Stroboskop.
18
Ich bremste und fuhr aufs Bankett. Der Streifenwagen folgte.
Verkehr rauschte vorbei, normale Menschen unterwegs zu normalen Orten.
Ich starrte in den Rückspiegel, als die Tür des Streifenwagens aufging und Lucy Crowe ausstieg. Sie setzte den Hut auf und rückte ihn sorgfältig zurecht; sie wollte mir wohl zeigen, dass dies kein Freundschaftsbesuch war. Ich überlegte, ob ich aussteigen sollte, beschloss dann aber sitzen zu bleiben.
Crowe sah groß und stark in ihrer Sheriffsuniform aus, als sie zu meinem Wagen kam. Ich öffnete die Tür.
»Morgen«, sagte sie und zeigte mir ihr umgekehrtes Nicken.
Ich nickte zurück.
»Neues Auto?« Sie spreizte die Füße und stemmte die Hände in die Hüften.
»Ausgeliehen. Das meine hat eine ungeplante Auszeit genommen.«
Da Crowe weder meine Papiere verlangte noch die üblichen Fragen stellte, nahm ich an, dass es sich nicht um eine Verkehrskontrolle handelte. Ich fragte mich, ob sie mich verhaften wollte.
»Ich habe etwas, das Sie wahrscheinlich nicht gern hören werden.«
Das Funkgerät an ihrem Gürtel knisterte, und sie drehte an einem Regler.
»Daniel Wahnetah ist gestern Abend wieder aufgetaucht.«
Ich wagte kaum, die Frage zu stellen.
»Lebendig?«
»Sehr. Klopfte gegen sieben bei seiner Tochter an der Tür, aß mit der Familie zu Abend, ging dann nach Hause. Die Tochter hat mich heute Morgen angerufen.« Wegen des Verkehrslärms redete sie laut.
»Wo war er in den drei Monaten?«
»In West Virginia.«
»Was hat er dort getan?«
»Das hat sie mir nicht verraten.«
Daniel Wahnetah war nicht tot. Ich konnte es nicht glauben.
»Etwas Neues über George Adair oder Jeremiah Mitchell?«
»Kein Sterbenswörtchen.«
»Keiner von beiden entspricht auch so richtig dem Profil.« Meine Stimme war angespannt.
»Schätze, das bringt Sie nicht sehr weiter.«
»Nein.«
Obwohl ich mir nie gestattet hatte, es auszusprechen, hatte ich doch geglaubt, dass der Fuß Wahnetah gehörte. Jetzt war ich wieder ganz am Anfang.
»Aber ich freue mich für die Familie Wahnetah.«
»Das sind gute Leute.«
Sie sah, wie meine Hände mit dem Steuer spielten.
»Ich habe von dem Fernsehbericht gehört.«
»Mein Handy klingelte so oft, dass es jetzt aus ist. Ich komme eben von einem Treffen mit Parker Davenport, und vor dem Sleep Inn gab es eine unschöne Szene mit verrückten Presseleuten.«
»Davenport.« Sie stützte einen Ellbogen aufs Autodach. »Ein richtiges Früchtchen vom Lande.«
»Was meinen Sie damit?«
Sie schaute die Straße hoch, dann wieder zu mir. In ihrer Fliegerbrille spiegelte sich die Sonne.
»Wussten Sie, dass Parker Davenport nicht weit von hier geboren wurde?«
»Nein, das wusste ich nicht.«
Sie schwieg einen Augenblick, anscheinend versunken in Erinnerungen, die nur die ihren waren.
»Ich vermute mal, Sie mögen den Mann nicht.«
»Sagen wir einfach, dass ich sein Poster nie über mein Bett hängen würde.«
»Davenport sagte mir, dass der Fuß verschwunden ist, und beschuldigte mich, ihn gestohlen zu haben.« Ich musste innehalten, um meine Stimme zu beruhigen. »Außerdem sagte er, dass eine Datentypistin, die mir half, den Fuß auszumessen, ebenfalls verschwunden ist.«
»Um wen geht’s da?«
»Um eine ältere schwarze Dame namens Primrose Hobbs.«
»Ich werde mich mal umhören.«
»Ich weiß, dass das alles Blödsinn ist«, sagte ich. »Aber
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