Durch Zeit und Raum
Schlafen ihr Haar gelöst; sanft fiel es über die Schultern; und als sich Meg in dem alten, halb blinden Spiegel betrachtete, der über der Kommode hing, war sie recht angetan: sie sah wieder wie ein Kind aus; viel hübscher jedoch als seinerzeit.
Sie spitzte die Ohren: da tappste etwas auf samtweichen Pfoten. Ein getigertes Kätzchen trippelte über die Dielen, sprang auf das Bett und begann sich laut schnurrend zu putzen. Zumindest ein Kätzchen war also offenbar immer im Haus. Aber den alten, schwarzen Hund vermißte Meg. Wie hätte Fortinbras wohl auf die seltsamen Vorfälle heute Abend reagiert? Wie dankbar wäre Meg jetzt gewesen, Fort auf seinem an sich verbotenen Stammplatz am Fußende ihres Bettes zu wissen, hatte er doch immer eine selbst für Hunde überraschende Spürnase für alles bewiesen, was seiner Menschenfamilie Nutzen oder Schaden brachte.
Meg fror. Sie zog sich die Überdecke um die Schultern. Wieder fiel ihr ein, wie Frau O’Keefe die Himmel um Beistand angerufen hatte, und sagte sich fröstelnd, sie wäre im Augenblick schon mit einem großen, zutraulichen Hund zufrieden. Die Himmel hatten sich zuvor allzu heftig und unkontrolliert gebärdet.
Und Charles Wallace fehlte ihr. Frau O’Keefe hatte ihn aufgefordert, Branzillo in den Arm zu fallen und dabei alle Macht des Himmels zu beschwören.
Charles hatte Meg abwesend, beinahe brüsk, Gute Nacht gesagt und ihr dann einen raschen Blick zugeworfen, der sie bewog, das Licht brennen zu lassen und das Buch nicht endgültig wegzulegen. Von Schlaf konnte ohnehin keine Rede sein; jeden Gedanken daran hatte der Präsident mit seinem Anruf zunichte gemacht.
Das Kätzchen stemmte alle vier Beine gegen den Boden, drehte sich mehrmals um sich selbst und kuschelte sich zuletzt, schwer und genüßlich, in die Krümmung des eingerollten Leibes. Das Schnurren verebbte; das Kätzchen war eingeschlafen. Würde es je wieder so friedlich schlafen können, fragte sich Meg, und ohne Angst vor dem Kommenden ebenso furchtlos erwachen?
Ihre Augen brannten vor Müdigkeit, aber sie wollte sie nicht schließen, wollte nicht den Zuspruch der Gegenstände ausschließen, die sie umgaben: die Lampe mit den beiden gelblichen Glaskugeln; die durchhängenden Bücherborde, die sie selbst aus Brettern und Ziegelsteinen gebaut hatte; die blaue, bunt bedruckte Gardine vor dem Fenster, deren Saum seit undenklichen Zeiten durchhing, und den sie immer schon annähen wollte, lange, ehe sie ans Heiraten gedacht hatte… Aber morgen!, nahm sie sich vor, – wenn es ein Morgen gibt.
Als sie die Schritte auf der Bodentreppe hörte, zuckte sie zusammen, war aber gleich wieder beruhigt: Jeder in der Familie hatte mittlerweile gelernt, automatisch die siebente Stufe auszulassen, denn die knarrte nicht bloß, sondern klang oft, als sei soeben ein Schuß losgegangen. Meg und Charles Wallace aber hatten den Trick herausgefunden, die Stufe nur mit einem Bein und ganz links zu belasten, so daß sie kaum mehr als einen gedehnten Seufzer ausstieß. Hörten sie den, war das ein Signal, daß eine heimliche Konferenz bevorstand.
Meg lauschte weiter: Charles ging über den Dachboden; das Schaukelpferd ächzte, als es den üblichen herzhaften Klaps aufs hölzerne Hinterteil bekam; ein Wurfpfeil bohrte sich in die Zielscheibe – auch das waren Signale, die sie im Laufe der Jahre vereinbart hatten.
Er teilte die Holzperlenschnüre, die im Türrahmen hingen, trat ans Fußende von Megs Messingbett und stützte das Kinn auf die Querstrebe. Sein Blick war ernst, ohne Lächeln. Dann kletterte er wie in früheren Zeiten als kleiner Junge, über das Gitter und setzte sich mit verschränkten Beinen auf die Bettdecke.
»Sie erwartete tatsächlich von mir, daß ich etwas unternehme.«
Meg nickte.
»Ausnahmsweise stimme ich diesmal nicht mit Mutter und Vater überein, sondern teile eher die Ansicht der Zwillinge; sie halten das Ganze für sinnlos und unmöglich.«
»Vergiß nicht, was Mutter immer sagt! In dieser Frau steckt mehr als man ihr ansieht.«
»Was hältst du von der Rune?«
Meg seufzte. »Sie hat sie dir gegeben.«
»Und was soll ich mit ihr anfangen?«
»Du sollst damit Branzillo von seinen Plänen abhalten. Also, ehrlich, mir geht es nicht besser als den Zwillingen: ich sehe keinen Sinn in der Sache.«
»Hast du jemals ernsthaft mit Frau O’Keefe gesprochen? Kennst du sie einigermaßen?«
»Nein. Ich glaube, keiner kennt sie wirklich. Calvin meint, sie hat sich vor langer Zeit gegen
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