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Durch Zeit und Raum

Durch Zeit und Raum

Titel: Durch Zeit und Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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Mortmain bedachte Zylle, die Llawcae, den Guten Higgins und seinen Sohn Duthbert, der die Augen nicht von Zylles Liebreiz abzuwenden vermochte, mit dräuenden Blicken. »Das ist etwas ganz anderes. Ihr seid eine Heidin und könnt das nicht begreifen.«
    Stolz reckte Zylle das Kinn. »Die Schrift sagt, der Herr liebt alle Menschen. So steht es in den Psalmen. Er liebt mein Volk wie das Eure, sonst wäre er nicht der wahre Gott.«
    »Lästert nicht seinen Namen, mein Kind!« warnte sie Higgins.
    »Warum haltet Ihr den Regen zurück?« fuhr Pastor Mortmain sie an.
    »Weshalb sollte ich ihn zurückhalten? Unser Korn verdirbt wie das Eure. Wir beten um Regen, morgens und abends.«
    »Die Katze!« rief Duthbert. »Wie war das mit der Katze?«
    »Die Katze hält Haus und Scheune von Ratten frei, wie jede andere Katze in der Siedlung auch.«
    Pastor Mortmain sagte: »Die Gute Adams läßt uns wissen, daß Euch das Vieh behilflich sei, durch die Lüfte zu fliegen!«
    Duthbert riß erschrocken den Mund auf, und Ritchie stieß vor Wut einen heiseren Schrei aus; aber Zylle winkte bloß mit der Hand ab und sagte: »Ist Euch denn Eure Katze behilflich, durch die Lüfte zu fliegen, Pastor Mortmain? Wohl ebensowenig wie die meine. Diese Kunst ist nur wenigen Auserwählten im Glauben vorbehalten, und ich bin nur ein Weib wie andere Weiber.«
    »Laßt es bewenden, mein Kind!« befahl der Gute Higgins. »Ihr sollt Euch nicht selbst erniedrigen.«
    »Seid Ihr eine echte Indianerin?« wollte Pastor Mortmain jetzt wissen.
    Sie nickte. »Vom Stamm des Windvolks.«
    »Indianer haben keine blauen Augen.«
    »Ihr habt unsere Legende vernommen.«
    »Eure Legende?«
    »Ja. So bezeichnen wir sie, obwohl wir an ihrer Wahrheit nicht zweifeln. Auch mein Vater hat blaue Augen, und ebenso mein kleiner Bruder.«
    »Lügengefasel!« schrie Pastor Mortmain. »Solch Fabelgeschwätz ist des Teufels!«
    Richard Llawcae rückte ganz nahe an die hagere, schwarze Gestalt des Geistlichen heran. »Wie seltsam, daß ausgerechnet Ihr desgleichen behauptet, Pastor! Die Schrift lehrt, daß Jesus in Fabeln sprach: Und er redete zu ihnen mancherlei in Gleichnissen… Solches alles redete er zu dem Volk, und ohne Gleichnisse redete er nichts zu ihnen. Matthäus, Kapitel sechs, Vers dreizehn.«
    Pastor Mortmains Züge verhärteten sich. »Ich wähne, daß dieses Indianerweib eine Hexe ist. Und ist sie das, muß sie wie eine Hexe sterben. Auch dies lehrt die Schrift.« Er gab dem Guten Higgins und Duthbert einen Wink. »Wir wollen uns in die Kirche verfügen und dort unsere Entscheidung treffen.«
    »Wer trifft hier die Entscheidungen?« begehrte Ritchie auf, ohne die warnend erhobene Hand seines Vaters zu beachten. »Alle Männer der Siedlung in offener, gerechter Aussprache, oder Ihr, Pastor Mortmain?«
    »Hütet Eure Zunge!« beschwor ihn der Gute Higgins. »Ritchie, hütet Eure Zunge!«
    »David Higgins!« sagte Richard Llawcae mit Nachdruck. »Unsere beiden Hütten begründeten diese Siedlung. Ihr kennt uns länger als jeder andere hier. Glaubt Ihr allen Ernstes, daß mein Sohn eine Hexe geheiratet hätte?«
    »Nicht wissentlich, Richard.«
    »Ihr habt in unserem Kreis gesessen, wenn am Abend die Indianer kamen, um unseren Überlieferungen zu lauschen, und wir vernahmen ihre Erzählung, die ganz der unseren gleicht. Ihr habt erfahren, daß solcherart die Legende der Indianer und jene von uns Walisern den Frieden zwischen dem Windvolk und dem Weißen Mann schuf und befestigte. War es nicht so, David?«
    »Ja, so war es.«
    Hastig griff Pastor Mortmain ein. »Der Gute Higgins berichtete wohl, daß allerlei Geschichten erzählt wurden, ehe Ihr zur Beschwichtigung aus der Heiligen Schrift zu lesen begannt.«
    »Die Bibel war uns nie Beschwichtigung, Pastor. Jene ersten Jahre waren voll der Mühe. Die Gute Higgins starb bei Daveys Geburt, und allein in der Woche darauf gingen drei von Davids Kindern an der Diphtherie zugrunde; und ein viertes hustete sich schon im Jahr darauf die Seele aus dem Leib. Mein Weib verlor nach Ritchie und vor Brandon vier Kinder; eins starb bei der Geburt, die anderen drei im Säuglingsalter. Damals wie heute gab uns nur die Schrift Kraft und Stärke. Und was die Geschichten betrifft: Die Winterabende waren lang, und es tat gut, mit ihnen die Zeit zu vertreiben, während unsere Hände ihr Werk taten.«
    Der Gute Higgins scharrte verlegen mit den Füßen. »Da war nichts Übles an diesen Geschichten, Pastor Mortmain. Ich habe es Euch bereits

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