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Durch Zeit und Raum

Durch Zeit und Raum

Titel: Durch Zeit und Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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halten. Es ist besser, gewappnet zu sein. Auch ich will von nun an auf der Hut sein.«
    Und ohne ein Wort des Grußes verschwand er zwischen den Bäumen.
    Am späten Abend, als die Siedlung bereits im Schlummer lag, kam Zylles Familie aus dem Wald, leise, einer hinter dem anderen, und wie am Nachmittag Maddok schlichen sie sich an die Rückseite des Hauses heran.
    Sie versammelten sich um Zylle und den Knaben, schlürften den kalten Kräutertee, den keiner so zubereiten konnte wie die Gute Llawcae, aßen dazu frisch gebackenes Brot, reichlich goldgelben Käse und süße Butter.
    Zillo nahm sein Enkelkind in die Arme, und aus seinem Gesicht, das sonst kaum Gefühlsregungen zeigte, sprach Zärtlichkeit. »Brandon, Sohn der Zylle aus dem Windvolk und Sohn des Ritchie der Llawcae, Sohn eines Prinzen aus dem fernen Land Wales; Brandon, Bewahrer der Bläue«, murmelte er und wiegte sanft das schlafende Kind.
    Aus den Augenwinkeln sah Brandon, wie eine der Indianerfrauen sich an seine Mutter wandte und leise auf sie einsprach. Und er sah, wie Mutter erschrocken die Hand auf die Brust legte.
    Und er sah auch, wie Zillo vor dem Weggehen Vater zur Seite nahm.
    So sehr es ihn freute, daß der Kleine seinen Namen trug, so schwer lastete die Sorge auf seinem Herzen; und als er zu Bett ging, hinderte ihn nicht nur die Hitze am Einschlafen. Er hörte, wie nebenan in der Stube die Eltern mit Ritchie sprachen, und er preßte das Ohr an die Wand, um ihren Worten zu lauschen.
    Die Gute Llawcae sagte: »Den Leuten behagt es nicht, wenn andere sich ungewöhnlich verhalten. Als Indianerin hat es Zylle schwer genug, selbst wenn sie nicht zu einer ungewöhnlichen Familie gehörte.«
    »Was heißt hier ungewöhnlich?« rief Ritchie erbost. »Wir waren hier die ersten Siedler.«
    »Wir stammen aus Wales. Und man fürchtet Brandons Gabe.«
    »Haben dich die Indianer gewarnt?« fragte Richard seine Frau.
    »Eine der Frauen. Und ich hatte so gehofft, daß unsere Siedlung von der Krankheit der Hexenjagd verschont bleibt.«
    »Wir müssen versuchen, jeden Verdacht von uns zu wenden«, sagte der Gute Llawcae. »Zum Glück stehen uns wenigstens die Higgins bei.«
    »Meinst du?« fragte Ritchie. »Der Gute Higgins scheint einen Narren an Pastor Mortmain gefressen zu haben. Und Davey Higgins hilft Brandon schon lange nicht mehr bei der Arbeit.«
    Richard sagte: »Auch vor Brandon hat mich Zillo gewarnt.«
    »Vor Brandon!« Die Gute Llawcae hielt erschrocken den Atem an.
    »Er hat gestern nacht wieder ein Bild gesehen.«
    Als Brandon das hörte, sprang er aus dem Bett und lief in die Stube.
    »Das hat dir Zylle verraten!«
    »Nein, Brandon«, widersprach sein Vater. »So ist das: Der Lauscher an der Wand hört seine eigene Schand’ . Du selbst hast Zylle gestattet, mit ihrem Vater zu sprechen, und von ihm habe ich es erfahren. Schämst du dich denn, mit uns darüber zu reden?«
    »Ich sollte mich schämen? Nein, Vater. Ich versuche bloß, den Bildern zu entkommen, weil du nicht willst, daß ich sie sehe; und ich weiß, daß es dich bedrückt, wenn sie sich mir trotz allem aufdrängen. Deshalb habe ich dir nichts davon erzählt. Ich dachte, in deinem Sinn zu handeln.«
    Der Vater schüttelte den Kopf. »Es ist verständlich, daß du so irrst. Wahrscheinlich war es falsch von uns, dich deinen Bildern abschwören zu lassen, wenn es wahrhaftig Gottes Gabe ist, sie dich sehen zu lassen.«
    Brandon war überrascht. »Wer sonst sollte mir diese Gabe verliehen haben?«
    »In Wales sieht man dergleichen als Gottesgabe an. Hier denkt man an Teufelswerk und lernt es zu fürchten.«
    »Zylle und Maddok sagen auch, meine Bilder kämen von den Göttern.«
    »Und Zillo hat mich gewarnt«, sagte Vater. »Er meint, du solltest zu keinem von deinen Bildern sprechen. Vor allem nicht zu Pastor Mortmain.«
    »Auch nicht zu Davey?«
    »Zu keinem.«
    »Aber Davey weiß von meinen Bildern. Als wir noch klein waren, habe ich sie ihm und Maddok immer beschrieben.«
    Seine Eltern tauschten besorgte Blicke. »Das ist lange her. Hoffentlich hat Davey es vergessen.«
    Ritchie hieb zornig mit der Faust auf den Tisch. »Pst!« mahnte Richard und hob abwehrend die Hand. »Sonst weckst du dein Weib und das Kind. Sobald die Hitze sich legt, wird auch das hitzige Gemüt der Nachbarn sich besänftigen. Und jetzt, Brandon, gehst du zu Bett.«
    In seiner Kammer warf sich Brandon wütend auf den Strohsack. Bald wurde es still im Haus, aber noch immer fand er keinen Schlaf. Aus der Ferne

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