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Durch Zeit und Raum

Durch Zeit und Raum

Titel: Durch Zeit und Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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behütet die Unmündigen; wenn ich schwach bin, so hilft er mir. Sei nun wieder zufrieden, meine Seele; denn der Herr tut dir Gutes. «
    »Amen«, sagte Zylle.
    Richard Llawcae schloß das Buch. »Du bist meine geliebte Tochter, Zylle. Als Ritchie dich zu seinem Weib wählte, waren seine Mutter und ich nicht weniger von Zweifeln geplagt als die Angehörigen deines Volkes. Aber dann schien es deinem Vater Zillo wie mir, als sollten in eurem Bund zuletzt zwei Legenden zusammenfinden. Und die Zeit hat erwiesen, daß es wohl unabwendbar so kommen mußte – und sollte; zum Segen aller.«
    »Ich danke dir, Vater!« Sie griff nach seiner harten, schwieligen Hand. »Die Gute Adams war erzürnt, weil ich nicht weinte.«
    Die Gute Llawcae strich ihr besänftigend durch das dichte schwarze Haar. »Nun weiß sie, daß dies der Sitte und dem Brauch eures Volkes entspricht.«
    Wilde! Heidnische Wilde! dachte Brandon. So sieht die Gute Adams Zylles Volk.
    Als Bran sich an die allabendliche Arbeit machte, tauchte hinter dem großen Stamm einer Föhre ein Schatten auf. Maddok.
    Brandon begrüßte ihn froh. »Wie schön, daß du gekommen bist! Vater hieß mich, nach Erfüllung meiner Pflichten in euer Lager zu gehen, aber nun kann ich dir die gute Kunde gleich geben: Das Kind ist geboren! Es ist ein Knabe, und er ist wohlauf.«
    Der Anflug eines Lächelns huschte über Maddoks Gesicht, aus dem die blauen Augen so verwirrend hell strahlten wie die seiner Schwester Zylle. »Das wird Vater freuen! Wird deine Familie uns gestatten, heute abend zu kommen und das Kind zu sehen?«
    »Selbstverständlich.«
    Maddoks Augen verdüsterten sich. »Es ist gar nicht selbstverständlich. Jetzt nicht mehr.«
    »Aber für uns Llawcae doch. Wie konntest du nur ahnen, Maddok, daß heute der große Tag war?«
    »Ich bin Zylle gestern begegnet. Da sagte sie es mir.«
    »Ich habe dich nicht gesehen!«
    »Du warst nicht allein. Davey Higgins war bei dir.«
    »Aber du, Davey und ich, wir haben doch oft zu dritt gespielt!«
    »Das ist nicht mehr möglich. Man hat es Davey untersagt, die Siedlung zu verlassen und zu uns ins Lager zu kommen. Die Götter Eures Medizinmanns mögen unsere Götter nicht.«
    Brandon seufzte so tief, daß es beinahe wie ein Stöhnen klang. »Pastor Mortmain. Nicht unser Gott ist den euren nicht gewogen. Nur Pastor Mortmain verachtet sie.«
    Maddok nickte. »Und sein Sohn macht Daveys Schwester den Hof.«
    Brandon kicherte. »Pastor Mortmains Gesicht möchte ich sehen, wenn er hört, daß man ihn Medizinmann nennt.«
    »Er ist kein guter Medizinmann«, sagte Maddok ernsthaft. »Er wird Schaden stiften.«
    »Hat er bereits getan. Seinetwegen darf sich Davey nicht mit dir treffen.«
    Maddok blickte Brandon offen an. »Vater schickt mich auch, dich zu warnen.«
    »Mich? Wovor?«
    »Unsere Kundschafter waren unterwegs. In der Stadt gehen allerlei Gerüchte um. Man spricht von Hexerei.«
    Hexerei. Ein übles Wort. »Aber doch nicht bei uns!« widersprach Brandon.
    »Noch nicht. Wenngleich auch in eurer Siedlung bereits hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wird.«
    »Worüber?« fragte Brandon hastig.
    »Meine Schwester weinte nicht bei der Geburt.«
    »Wir wissen, daß das die Art eures Volkes ist.«
    »Es ist aber auch Hexenart. Eure Leute raunen, als das Kind kam, sei eine kreischende Katze über die Straße gerannt. In sie habe Zylle ihre Schmerzen gehext.«
    »Das ist doch Unsinn!« rief Brandon, aber seine Augen verrieten ernste Sorge.
    »Mein Vater sagt, die bösen Geister gehen um und verhärten die Herzen der Menschen. Er sagt, mit besonderer Lust klagen sie die Unschuld des Bösen an. Brandon, mein Freund und Bruder, hab acht auf Zylle und das Kleine.«
    »Zylle und ich haben gestern Heilkräuter gepflückt«, sagte Brandon bedrückt.
    »Zylle wurde in allem unterwiesen, was eine Geburt erleichtern kann. Und sie hat die Gabe, mit Kräutern zu heilen. Aber auch das würde man als Hexerei ansehen, als schwarze Magie.«
    »Das ist doch keine Hexerei…«
    »Nein. Bloß die Kenntnis der heilenden Kraft mancher Pflanzen und Wurzeln. Doch die Menschen sind mißtrauisch gegenüber fremdem Wissen. Mein Vater ist besorgt – um Zylle und um dich.«
    Brandon widersprach ihm heftig. »Man kennt uns als gottesfürchtige Leute. Wer sollte da denken…«
    »Eben deshalb wird man euch mißtrauen«, fiel ihm Maddok ins Wort. »Mein Vater sagt, du solltest dich mehr als bisher zu den anderen Kindern der Siedlung gesellen und Augen und Ohren offen

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