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Durch Zeit und Raum

Durch Zeit und Raum

Titel: Durch Zeit und Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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eigenen Galaxis, in deinem eigenen Sonnensystem, auf deinem eigenen Planeten, in deinem eigenen Wo.«
    »Soll das heißen, wir sind dort, wo sonst immer der Sterngucker-Felsen war? Nur, daß er jetzt vom Meer überflutet ist?«
    »Ja. Und der Wind sagt, es sei Hochsommer.«
    Charles Wallace betrachtete den Eisberg. »Da haben wir ja Glück im Unglück. Wäre jetzt nicht Sommer, müßten wir wohl jämmerlich erfrieren. Das steht uns allerdings trotzdem bevor, wenn wir nicht bald festes Land erreichen.«
    Gaudior seufzte. »Meine Flügel sind noch immer zu naß und schwer; und meine Beine sind müde vom Strampeln.«
    Eine große Welle spülte über sie hinweg. Charles Wallace bekam das salzige Wasser in den Mund, verschluckte sich beinahe daran und keuchte qualvoll. Die Lungen schmerzten noch immer vom Angriff der Echthroi und von der Kälte. Auch müde war er, schrecklich müde. Er dachte an die Geschichten von den Wanderern, die sich im Schneesturm verirren, sich zuletzt hinlegen, einschlafen und nie mehr aufwachen… Nur mit äußerster Anstrengung konnte er die Augen offen halten, doch schien die Mühe kaum zu lohnen.
    Auch Gaudior strampelte immer langsamer, und als die nächste Welle über ihnen zusammenschlug, kämpfte er nicht mehr dagegen an.
    Sie versanken in den Fluten.
    Als Wasser und Dunkelheit Charles Wallace einhüllten und ihm allmählich die Sinne schwanden, begann es in seinen Ohren zu dröhnen, und durch das Dröhnen drang eine gebieterische Stimme: »Die Rune, Chuck! Sag sie! Sag sie, Chuck!«
    Aber das eisige Wasser lastete wie ein unwiderstehlicher Druck auf ihm…
    Anandas warnendes Winseln riß Meg aus ihrem Dämmerschlaf.
    »Sag die Rune, Charles!« rief sie und setzte sich ruckartig auf.
    Wieder winselte Ananda, dann bellte sie auffordernd.
    »Ich glaube nicht, daß ich sie mir ganz gemerkt habe«, erwiderte Meg, faßte mit beiden Händen in das dichte Fell des Hundes und kythete mit aller Kraft:
    *
    » In der Stunde, die alles entscheiden kann,
    ruf ich mit Ananda die Himmel an.
    Ich rufe die Sonne im gleißenden Brand,
    ich rufe den sanftweißen Schnee überm Land.
    Ich rufe das Feuer in lodernder Helle,
    ich rufe den Blitz in zorniger Schnelle.
    Ich rufe die Winde auf all ihren Wegen… «
    *
    Der Wind erhob sich, und die weißen Schaumkronen vereinten sich zu mächtigen Wellenkämmen, rissen den Jungen und das Einhorn aus den wirbelnden Tiefen, trugen sie hoch, reichten sie weiter von Woge zu Woge, fegten sie über die eisige See und ließen sie zuletzt auf den weißen Sand der Küste gleiten.

… und der Meere tiefe Gründe
    D as Einhorn und der Junge erbrachen Salzwasser und rangen nach Atem. Wie mit Messern schnitt der Schmerz in ihre Lungen.
    Sie befanden sich unter einer Klippe aus Eis, die in der prallen Sonne lag und sie gegen den Wind schützte. In schmalen Bächen rann das Schmelzwasser über die Wand. Die Sonne ließ nicht nur das Eis tauen; sie wärmte auch die beiden durchfrorenen Körper und trocknete Gaudiors tropfnasse Flügel. Bald konnten Charles Wallace und das Einhorn wieder frei atmen, ohne dabei Wasser spucken zu müssen, und auch ihr Kreislauf beruhigte sich allmählich.
    Weil er kleiner und leichter war (und – wie Gaudior später scharfzüngig bemerkte – um ein paar Millionen Jahre jünger), erholte sich Charles Wallace schneller. Er wand sich aus dem durchnäßten Anorak und ließ ihn in den feuchten Sand fallen. Dann schlüpfte er, nicht ohne Mühe, aus den Stiefeln. Die Knoten der Leine allerdings, mit der Charles immer noch an das Einhorn gebunden war, ließen sich nicht öffnen; sie waren festgezurrt und mit Wasser vollgesogen. Erschöpft fiel Charles Wallace vornüber auf den Hals des Einhorns und genoß die heilenden Sonnenstrahlen. So schlief er ein, durchwärmt, beruhigt, die Nase tief in Gaudiors dampfender, feuchter Mähne versteckt.
    Es war ein tiefer, erholsamer Schlaf, aus dem er erst erwachte, als das Einhorn seine Schwingen in die Sonne reckte und die letzten störrischen Tropfen wegleckte.
    »Gaudior…« murmelte Charles Wallace, noch ganz benommen, und gähnte.
    »Du hast geschlafen«, sagte das Einhorn mit leisem Vorwarf, »und ich habe mich unterdessen beim Wind erkundigt. Du kannst der ewigen Musik danken, daß es uns ins Wann des schmelzenden Eises verschlagen hat; sonst hätten wir nicht überlebt.« Auch Gaudior mußte gähnen.
    »Schläft ein Einhorn eigentlich nie?« fragte Charles Wallace neugierig.
    »Mir ist seit Äonen nicht nach

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