Durch Zeit und Raum
gerichtet war? Das mußte jener Matthew Maddox gewesen sein, der die beiden Bücher verfaßt hat. Der Schlüssel liegt in seinem zweiten Roman. Darin steht etwas, das uns die Echthroi nicht erfahren lassen wollen. Eins hängt mit dem anderen zusammen, aber wir haben noch nicht herausbekommen, worin der eigentliche Zusammenhang besteht.
Und was geschah mit Beezie? Wie konnte aus diesem Mädchen nur eine Mom O’Keefe werden?
»Ach, Ananda, Ananda! Was ist da passiert?«
Sie lehnte sich in die Kissen zurück und streichelte Anandas weiches Fell, bis die prickelnde Wärme sich auf ihre Hände und Arme übertrug und zuletzt in den ganzen Körper strömte…
»Aber warum ausgerechnet Pa?« fragte Beezie beharrlich. »Warum mußte er sterben?«
»Auf diese Frage gibt es keine Antwort«, erwiderte die Großmutter geduldig. »Man darf sie sich gar nicht stellen.«
»Ich tu’s aber!«
Die Großmutter wirkte müde – und alt. Chuck hatte nie an ihr Alter gedacht; für ihn war sie nie eine alte Frau gewesen, sondern einfach: Großmutter. Die Großmutter, die stets für die Kinder da war…
Jetzt fragte sie doch, aber nicht die Kinder, sondern – den Himmel! »Und warum mußte mein Patrick sterben, jünger noch als euer Vater war? Warum das alles?«
Eine Träne lief ihr über die Wange, und Chuck und Beezie umarmten die Großmutter, um sie zu trösten.
Frau Maddox blätterte in den Geschäftsbüchern, die ihr Mann bis zuletzt so sorgsam geführt hatte. Je länger sie darin las, um so langsamer wendete sie die Seiten. »Ich wußte, daß es schlecht um uns steht. Aber ich wußte nicht, daß es so schlimm ist. Ich hätte es erkennen müssen, als er das Buch von Matthew Maddox verkaufte…«
Chuck stieg auf den Dachboden und suchte im Dunkeln unter dem Gerumpel nach einem verborgenen Schatz. Er fand aber weder Gold noch Juwelen, die er Mutter hätte geben können, nur eine Flasche mit Münzen, ein Lexikon mit vergilbten Seiten und beschädigtem Einband – aber vielleicht war das Buch noch zu brauchen – und ein Porzellanservice, das in Zeitungspapier eingewickelt war. Die Zeitungen trugen ein Datum lang vor seiner und Beezies Geburt. Außerdem fand Chuck eine kleine, versperrte Kiste.
Er brachte alles ins Wohnzimmer hinunter. Mutter war im Laden, aber Beezie und die Großmutter standen in der Küche, beim Backofen.
»Die Münzen sind alt. Dafür bekommen wir vielleicht etwas. Das Porzellan ist schön. Wenn wir es verkaufen, können wir mit dem Geld bestimmt ein, zwei Monate heizen. Und was ist in der Kiste?«
»Der Schlüssel fehlt. Ich werde sie aufbrechen.« Chuck holte einen Hammer und einen Schraubenzieher. Das alte Schloß ließ sich mühelos aufstemmen. Chuck klappte den Deckel hoch. In der Kiste befanden sich Stöße von Briefen und ein großes Notizbuch, das in blaues Leder gebunden und am Rücken bereits rissig war. Chuck öffnete das Buch. Auf der ersten Seite war ein Bild. Eine Skizze in nur wenig verblichenen Wasserfarben. Es zeigte eine Landschaft im Frühling.
»Großmutter! Das ist unser Felsen!«
»Tatsächlich!« Die alte Frau gluckste überrascht.
Der Felsen war in gedämpftem Fliederblau gehalten, das sich in ein Grau verlief. Dahinter leuchteten die Bäume in frischem Grün auf. Über dem Felsen flatterte ein Schwärm Schmetterlinge im blauen Himmel, gelbe und schwarze Punkte: Schwalbenschwänze. Auch die Blumen um den Felsen ließen sich genau erkennen; wie ein Tapetenmuster waren sie ins Gras getupft.
Chuck betrachtete staunend und entzückt das Bild. »Beezie!« rief er, »Großmutter!«
Andächtig blätterte er um. In zierlicher Schrift stand da:
Madrun, 1864 . Zillah Llawcae.
Großmutter wischte sich die mehligen Hände an der Schürze sauber, setzte die Brille auf, und gemeinsam lasen sie:
Madrun. Zehn Uhr vorbei. Durch das Schlafzimmerfenster geht der Blick bis hinunter zum Haus der Maddox. Herr und Frau Maddox werden gewiß bereits schlafen. Sie müssen des Morgens um fünf aus den Federn. Und Gwen Maddox! Wer weiß. Gwen meint, sie sei bereits erwachsen und sieht mich bloß als Kind an, obgleich uns kaum zwei fahre trennen.
Und die Zwillinge! Meine geliebten Zwillinge Bran und Matthew. Ob auch sie wach liegen! Als Bran ein falsches Alter angab – so sehr fürchtete er, den Krieg versäumen zu müssen – und zur Kavallerie ging, wie geängstigt war ich da, er könne in der Schlacht fallen! Wenn ich von seiner Rückkehr träumte, und dies tat ich Nacht für Nacht, den
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