Durch Zeit und Raum
gut, Frau O’Keefe. Wir kommen gleich.«
Es war nicht der Präsident.
Aber was wollte Frau O’Keefe mitten in der Nacht?
Mittlerweile waren auch die Zwillinge aufgetaucht.
»Was ist geschehen?« fragte Frau Murry.
»Du hast richtig geraten. Es war Frau O’Keefe.«
»So spät noch?« rief Sandy.
»Sie hat noch nie bei uns angerufen«, bemerkte Dennys. »Zu keiner Tages- oder Nachtzeit.«
Meg seufzte erleichtert auf. »Immerhin war es nicht der Präsident. Was wollte sie denn?«
»Sie sagt, sie hat etwas gefunden, das sie mir unbedingt geben muß, und wir sollen sofort kommen.«
»Ich fahre hin«, erbot sich Sandy. »Du mußt beim Telefon bleiben, Vater.«
»Du hast dir die verrückteste Schwiegermutter der Welt ausgesucht«, sagte Dennys zu Meg.
Frau Murry öffnete die Klappe des Backofens. Gleich duftete es nach heißem Brot. »Wie war’s mit einem Butterbrot?«
»Meg, mach den Schlafrock ordentlich zu«, befahl Dennys.
»Sofort, Herr Doktor.« Sie schlüpfte in den linken Ärmel und band den Gürtel um die Taille. Wenn sie jetzt bei der Familie in der Küche blieb, würde die Zeit wieder unerbittlich ihren gewohnten Lauf nehmen. Das Kythen; das durch das Läuten des Telefons unterbrochen worden war, verlor sich halb unbewußt in ihrem Gedächtnis. Meg haßte Wecker. Auch die rissen sie so schnell aus dem Schlaf, daß sie sich nicht mehr an ihre Träume erinnern konnte.
Was hatte sie nur gleich über Frau O’Keefe gekythet? Meg versuchte vergeblich, das herauszufinden. Leuchtkäfer. Irgend etwas mit Leuchtkäfern. Und mit einem Mädchen und einem Jungen. Und mit dem Geruch nach Angst… Sie schüttelte den Kopf.
»Was hast du, Meg?« fragte Mutter.
»Ach, nichts. Ich versuche nur, mich an etwas zu erinnern.«
»Setz dich zu uns. Etwas Heißes zum Trinken kann nie schaden.«
Es war wichtig, daß sie mit Frau O’Keefe sprach, aber sie wußte nicht mehr, warum, denn das Kythen war fort.
»Ich bin gleich wieder da«, versprach Sandy und schloß hinter sich die Tür zum Flur.
»Zum Teufel, nochmal«, sagte Dennys. »Diese Frau O’Keefe geht über meinen Verstand. Wie gut, daß ich mich nicht auf Psychiatrie eingelassen habe.«
Mutter stellte das duftende Brot auf den Tisch und wandte sich dann zum Herd, um den Wasserkessel aufzusetzen. »Schaut euch das an!«
Meg folgte ihrem Blick. Das Kätzchen und Ananda trabten in die Küche, eins hinter dem anderen, das Kätzchen mit steil aufgerichtetem Schwanz, als wollte es den Hund führen; Ananda hingegen wedelte heftig mit ihrem buschigen Schwanz. Alle mußten lachen, aber ihr Lachen verstummte, als die beiden am Telefontischchen vorbeikamen. Zweimal hatte das Telefon seit dem Anruf des Präsidenten geläutet; zuerst war es Calvin gewesen, dann seine Mutter. Wann würde es wieder schrillen, und wer würde sich dann melden?
Meg war überrascht, daß ihr das warme Brot so gut schmeckte und sie den warmen Tee genießen konnte, als sei nichts geschehen. Im Augenblick war sie sogar richtig entspannt. Ananda winselte bettelnd, und Meg brach ihr ein Stück Rinde ab.
Draußen fuhr das Auto vor, die Tür wurde zugeschlagen, und dann kam Sandy – mit Frau O’Keefe. Die Alte hatte Spinnweben im Haar und Schmutzspuren auf der Wange. In der Hand hielt sie einige Papiere.
»Da war was«, erklärte sie großspurig. »Hat mir gesagt: Such auf dem Dachboden. Dieser Name. Mad Dog Branzillo. Hat mich erinnert.«
Meg starrte ihre Schwiegermutter an, und plötzlich war das Kythen wieder da. »Beezie!« rief sie.
Frau O’Keefe sprang auf sie zu, als wollte sie Meg schlagen. »Was soll das?«
Meg faßte sie an den Händen. »Beezie, Mom. Man hat dich früher Beezie gerufen.«
»Woher weißt du das?« herrschte die Alte sie an. »Das kannst du nicht wissen. Hat mich keiner mehr genannt. Beezie. Seit. Chuck…«
Meg hatte Tränen in den Augen. »Oh, Beezie, Beezie, es tut mir ja so leid!«
Alle starrten sie entgeistert an. »Was hast du, Meg?« fragte Herr Murry.
Ohne die Hände ihrer Schwiegermutter loszulassen, versuchte Meg zu erklären. »Als Frau O’Keefe noch ein Mädchen war, sagte man Beezie zu ihr. Stimmt das, Mom?«
»Vergessen wir’s«, schnaufte die Alte schwer. »Am besten – vergessen.«
»Und du hast zu Charles Wallace Chuck gesagt«, fuhr Meg unbeirrt fort. »Chuck, das war dein jüngerer Bruder, und du hast ihn sehr geliebt.«
»Ich will mich – setzen«, sagte Frau O’Keefe. »Nichts mehr mit den alten Zeiten. Ich hab da was. Will ich
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