Durchgebrannt - Roman
was ich hier wollte.‹«
»Aber sieben Stunden?«, wiederholt Ferhad. »Das muss doch auffallen.«
»Wahrscheinlich ist es das längst«, sagt Lea. »Die Polizei hat das Krankenhaus schon auseinandergenommen, die Hubschrauber kreisen über der Stadt, und wenn du's Radio anstellst, hörst du alle fünf Minuten die Durchsage der Vermisstenmeldung.«
»Blödsinn!«
Lea hat natürlich prompt meinen wunden Punkt getroffen. Was nutzt es zu rebellieren, wenn's keiner merkt?
»Das kann nicht sein«, sage ich scharf. »Schalt doch mal dein Hirn ein: Die würden zuallererst versuchen, mich auf meinem Handy zu erreichen.«
»Vielleicht haben sie deine Nummer vergessen.« Eric lacht und die anderen - alle außer Lea - fallen ein. Nur sie bleibt ernst, hält meinem Blick angriffslustig stand und sagt sehr ruhig, dafür aber umso wirkungsvoller: »Verfrühte Demenz können wir ja wohl ausschließen. Dann gibt's nur noch eine Erklärung, warum sie sich nicht melden.«
»Nämlich?«, schnappe ich. »Da bin ich ja mal gespannt.«
Lea zögert. Ihr Gesicht wird ernst, die Stimme vorsichtig. »Es liegt auf der Hand: Deiner Schwester geht's nicht gut.«
»Meiner Schwester geht's nie gut!«, schreie ich.
Lea erschrickt so sehr, dass sie ins Stolpern gerät. Ricarda lässt meinen Arm los. Das Lachen der anderen erstirbt, überraschte Blicke treffen mich.
»Deswegen brauchst du mich ja nicht so anzumachen.« Lea treten die Tränen in die Augen.
Verdammt, ist das peinlich. Warum müssen manche Mädchen immer gleich heulen? »Ich mache dich nicht an. Ich stehe nur unter Druck, kapierst du das nicht?«
»Ich mach dir diesen Druck doch nicht.« Ihr entfährt ein Schluchzer, sie ärgert sich, schiebt mit Wucht die geballten Fäuste in die Hosentaschen und läuft voraus. Ich muss an einen Igel denken, der über die Hauptstraße wetzt. Einen dünnen Igel, der, auch wenn er nicht überfahren wird, wohl kaum über den Winter kommt.
»Sorry«, rufe ich ihr nach. Ich hätte nicht so ausflippen dürfen. Deshalb sage ich zu den anderen: »Ihr könnt euch das nicht vorstellen. Als ich wegging, hat Sarah gerade das Bett vollgekotzt.«
»Oh, lecker«, bemerkt Eric.
Ich habe das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, obwohl ich das hasse. »Es ist jetzt nach sechs«, beginne ich zähneknirschend. »Bei Sarah ist mal wieder Abendessenszeit, aber weil Sarah das Zeug eh ständig auskotzt, wird sie teilweise künstlich ernährt. Sie geht auch nicht mehr zu Toilette. Das läuft alles per Schlauch.«
»Äää, ist gut jetzt, Flo«, sagt Ricarda und streicht über meinen Arm. »Wir glauben dir doch, dass das 'ne Scheißsituation ist.«
»Und an die will ich hier eben nicht dauernd erinnert werden.«
Die anderen akzeptieren's, aber Lea ist natürlich noch nicht fertig. Sie bleibt stehen.
»Du brauchst nicht glauben, dass mich das Schicksal deiner Schwester kaltlässt. Aber
ich
kann nichts für dein Problem, Florian. Ich wollte dir nur helfen. An deine Situation zu Hause werden dich auch noch andere erinnern. Und wahrscheinlich weniger freundlich als ich.«
12
Kaum sind wir zurück auf dem Campingplatz, ruft mich Peter. »Florian, komm mal her.« Er winkt mit dem Papier. »Ist
das
die Einwilligungserklärung deiner Eltern?«
Meine Freunde bleiben erwartungsvoll stehen, während ich auf unseren Trainer zugehe. Jetzt wird's brenzlig.
»Wieso?«, frage ich so ruhig wie möglich. Ahnt Peter, dass es sich um eine Fälschung handelt? Oder haben meine Eltern vielleicht ihn angerufen statt mich? Dann ist es besser, nicht länger zu lügen, um ihn nicht zu sehr gegen mich aufzubringen.
Er sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an. Ich komme mir schon allein wegen seiner Größe unterlegen vor. »Wir hatten extra Vordrucke erstellt. Also, etwas mehr Mühe hätten sich deine Eltern schon geben können.«
Innerlich atme ich auf. Peter hat nichts gegen mich in der Hand. Es hätte mich auch gewundert, wenn meine Eltern sich an seinen vollen Namen erinnert und seine Handynummer recherchiert hätten, bevorsie versuchen, mich persönlich zu erreichen. Peter denkt immer noch, ich sei erlaubterweise hier. Es wurmt ihn nur, dass jemand seine Vordrucke missachtet hat.
In diesem Fall muss die abgedroschene Ausrede reichen. »Für solchen Kleinkram haben meine Eltern keine Zeit.«
»Trotzdem.« Peter schüttelt den Kopf.
»Nichts trotzdem«, widerspreche ich genervt. Auf einmal wäre es mir lieber, er hätte den Schwindel bemerkt. Dann würde er mich eben
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