Durchschaut - Das Geheimnis, kleine und große Luegen zu entlarven
weitere Schmerzen zu vermeiden. Diskussionen darüber, Foltermethoden wie Waterboarding oder noch Grausameres im Namen der Terrorabwehr zuzulassen beziehungsweise anzudrohen, sind daher nicht nur eines Rechtsstaats unwürdig, sondern auch absolut sinnlos.
Moralischer Ausweg
Warum hält jemand selbst unter groÃem Druck stur an einer Lüge fest? Oft lautet die Antwort: weil ihm seine Tat peinlich ist. Egal, was sonst auf dem Spiel steht - er wird sie nicht enthüllen, um nicht das Gesicht zu verlieren.
Verhörexperten wissen um dieses Phänomen. Daher verwenden sie eine Technik, die man »psychologische Amnestie« nennt: Sie geben dem Verhörten zu verstehen, dass die Tat durchaus nachvollziehbar war, ja dass sie wahrscheinlich selbst genauso gehandelt hätten. So liefern sie ein mögliches Motiv für die Tat - sie ist nicht mehr peinlich, sondern verständlich. Ekman zitiert ein typisches Verhör: »Es gibt Zeiten, in denen wir Menschen wegen unserer Umgebung, wegen einer Krankheit - aus vielen Gründen - nicht den geraden Weg wählen ⦠Manchmal können wir nicht anders. Manchmal tun wir Dinge in einem Moment der Leidenschaft, in einem Moment des Zorns â¦Â«
Entscheidend ist, dem Beschuldigten ein ähnliches Wertesystem vorzugaukeln. Wie weit man dabei geht, bleibt jedem selbst überlassen - Christopher Dillingham zögert
nicht, vor dem vermeintlich Pädophilen zu behaupten, dass auch er Sechsjährige für sexy hält. Vertritt man dieselben Werte wie sie, halten einen andere Menschen für sympathisch - ein entscheidender Faktor, wenn es um Geständnisse geht. Oft reicht es auch schon, nur eine einigermaÃen vergleichbare Tat zu gestehen: »Es ist schon in Ordnung, wenn Sie die Daten auf dem Firmenserver versehentlich gelöscht haben. In meiner ersten Woche hier habe ich alle Dokumentenvorlagen im Netzwerk gelöscht - die IT hat eine Woche gebraucht, um sie zurückzuholen. Na, was sagen Sie jetzt?«
So verwandelt man sich schlagartig in den Verbündeten des Verdächtigen. Bündnisse entstehen besonders leicht, wenn es einen gemeinsamen »Feind« gibt. Geht es um eine schwierige Entscheidung, lohnt es sich daher, eine andere Instanz ins Spiel zu bringen, die das letzte Wort haben wird - Sie, der Sie auf der Seite des Verdächtigen stehen, wollen nur helfen, die paar kleinen Lügen schnell zu bereinigen, bevor die Entscheidungsinstanz dahinterkommt.
Zwei Beispiele: »Ich habe den Kaufvertrag durchgesehen. Alles okay von meiner Seite, Sie wissen, wie sehr mir der Porsche gefällt. Ob er wirklich komplett unfallfrei ist oder ob die Kilometer hundertprozentig stimmen, ist mir nicht so wichtig. Aber später kommt mein Mann vorbei, und wissen Sie, der ist da sehr pingelig und lässt alles haarklein kontrollieren. Wenn irgendwas nicht stimmt, will er den Wagen auf keinen Fall.« Oder: »Perfekt! Sie eignen sich optimal für die Stelle. Ihr Lebenslauf ist hervorragend - allerdings wird ihn die Geschäftsführerin natürlich noch mal komplett überprüfen lassen. Jeder übertreibt ein wenig, ist ja klar. Lassen Sie uns den CV daher schnell gemeinsam durchgehen, damit es auch sicher klappt!«
Wie soll man begründen, dass noch das schlimmste Vergehen nachvollziehbar war? Christopher Dillingham schildert drei Strategien:
⢠Das Opfer war selbst schuld: »Es ist nicht deine Schuld, dass du mit ihr geschlafen hast - ich hatte dich vernachlässigt.«
⢠Die Umstände waren schuld: »Natürlich hättest du unter normalen Umständen niemals gestohlen. Aber ohne Job und mit einer hungrigen Familie ist das mehr als verständlich.«
⢠Dritte waren schuld: »Ich weià schon, ohne Tobi wärst du nie bis sechs Uhr morgens in dem Table-Dance-Laden rumgehangen!«
Um dem Lügner das Geständnis so leicht wie nur möglich zu machen, ist es hilfreich, ihn nicht dazu aufzufordern, »endlich mit der Wahrheit herauszurücken«, sondern »die ganze Geschichte zu erzählen«. Häufig verhindern vor allem Faktoren wie Stolz und Scham das Geständnis. Wenn man nun Verständnis und Sympathie zeigt, nimmt man dem anderen diese Scham. Wir gestehen unsere Verfehlungen generell nicht denjenigen, die auf uns herabsehen, sondern denjenigen, die uns verstehen und mögen.
Reizentzug und Wahrheitsfindung
Menschen reagieren mit Halluzinationen, wenn man ihnen
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